LESERINNENBRIEFE
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Internet ist kein Ersatz

■ betr.: „Lesen im 21. Jahrhundert“, taz vom 20. 11. 12

Sehr geehrter Herr Kruse, ich komme erst heute Morgen dazu, Ihren gestrigen Leitartikel zu lesen (das ist nämlich das Schöne an einer gedruckten Zeitung, man kann sie noch mal zur Hand nehmen). Einen Twitter-Account habe ich auch nicht, ich hoffe aber, dass eine Mail an das allgemeine Postfach Sie erreichen wird.

Dass ich als Fan der gedruckten Zeitung von Ihnen als „Nachkriegsromantiker“ verunglimpft werde, ist schon ein starkes Stück. Gerade Angehörige meiner Generation haben viel für Meinungs- und Pressevielfalt getan, und dabei war es nicht nur romantisch. Natürlich nutze ich das Internet als Informationsstelle in unterschiedlichen Facetten. Das ersetzt aber keinesfalls eine gedruckte Zeitung, ein haptisches Medium, zu dem man über die Jahre eine Beziehung aufbaut, zu dem man Vertrauen hat. Ich verstehe die ökonomischen Zwänge der heutigen Verlagsindustrie, kann aber nicht glauben, dass ein Verzicht auf das Kernprodukt tatsächlich Zukunft verspricht. Denn nur noch im Online-Format verbreitet, würden die Zeitungen im allgemeinen Informationsbrei des Internets untergehen. Ich glaube weiterhin an das bedruckte Papier. JAN HENNING, Hamburg

Wirklich große Prosa

■ betr.: „Martin Walsers Tagebuch gefunden!“, taz vom 21. 11. 12

Nicht immer bin ich einverstanden mit Silke Burmesters Kolumnen und Meinungen innerhalb der taz, aber Martin Walsers Tagebuch ist wirklich große Prosa! Solche Bilder wie „Paris … eine Stadt wie ein Taubenschiss“ oder über die Formel-1-Rennautos „Saugen Gold, geben Gift“ oder allein so ein Bindestrich „Kraft-Stoff“ , das ist einfach großartig! KATRIN SWOBODA, Frankfurt am Main

Platter Reimlexikon-Missbrauch

■ betr.: „Alles gar nicht so gemeint“, taz vom 16. 11. 12

Hätte ich mir auch nicht träumen lassen, mal nahezu nostalgisch an den Eifer der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zurückzudenken – damals, in den 80ern, als Platten fast schneller zensiert als gepresst wurden und vergleichsweise harmloses Liedgut wie „Claudia“ von den Ärzten oder Falcos „Jeanny“ somit erst richtig legendär wurde …

Selbstverständlich wünscht sich niemand diese Zeiten zurück, aber anscheinend geht heutzutage ja der platteste Reimlexikon-Missbrauch (töten/Föten/Klöten) noch als passabel durch, wenn man sich wie Xaver Nee-Du damit voll im Moralkonsens suhlen kann, während die bösen Staatsbeschmutzer von Feine Sahne Fischfilet … – okay, ich hör ja schon auf. FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

Von Abhängigkeit befreien

■ betr.: „Apokalypse auf Akademisch“, taz vom 19. 11. 12

Den Klimawandel kann man sich vorstellen als die chaotisierende Revolte der kohlenstoffhaltigen „Energiesklaven“, die unseren Wohlstand und unser Zivilisationsmodell materiell tragen. Wollen wir uns dessen Menschenrechtsgedanken und Mitmenschlichkeitsimpulsen (der Klimawandel trifft zunächst die anderen, Schwächeren, an seiner Verursachung oft sogar Unschuldigen) bewahren, so müssen wir uns aus der Abhängigkeit von diesen Energielieferanten so rasch als möglich frei machen, wir müssen sie im Boden belassen und ohne ihre Dienste auszukommen versuchen, je eher, desto ehrlicher. Das ist die zeitgenössische Aufgabe und Verantwortung gegenüber allem künftigen menschlichen Leben.

ULRICH ZIMMERMANN, Frankfurt am Main

Ein Zeichen von Doppelmoral

■ betr.: „Hosen runter von den Chefsesseln …“, taz vom 17. 11. 12

Einerseits habe ich die Quotentaz mit Interesse und als Bereicherung gelesen. Aber zwei Dinge stoßen mir doch sehr auf:

Es gab schon viele Themen-tazzen, aber dann fand man wenigstens noch zwei bis vier Seiten über aktuelles Geschehen. Dass Sie sich diesmal mit einem Verweis auf taz.de begnügen, finde ich sehr ärgerlich und arrogant.

Das zweite Ärgernis ist die Anzeige von „oecocapital“ auf Seite 23, die mir schon zuvor mal sauer aufgestoßen ist. In einer Frauenquoten-taz eine Werbung für ein Versicherungsunternehmen zu drucken, das damit wirbt, noch schnell in die günstigeren Männerrentenversicherungstarife zu wechseln, bevor die (sozial gerechteren) Einheitstarife gültig werden, finde ich skandalös und ein Zeichen von Doppelmoral. ANDREAS HILL, Hamburg

Mädels im Karrierestau

■ betr.: „Hosen runter von den Chefsesseln …“, taz vom 17. 11. 12

Ach, wie wichtig sich die Mädels im Karrierestau nehmen. Dafür opfern sie gleich das komplette Weltgeschehen. Was scheren die Toten im Nahen Osten oder sonst wo auf der Welt, was juckt der soziale Unfrieden? Jetzt red I! Wer eine Tageszeitung will, soll an den Kiosk gehen und die letzte FR kaufen. Liebe Frauen, könnt ihr euch nicht journalistisch angemessen auf die sonntaz beschränken? Oder, liebe Frau Will, auf ihre Quasselsendungen? Mir wurde nämlich mit dem taz-Abo eine Tageszeitung versprochen, kein Heulsusengejammer – und dann noch zum Teil von Karrieristinnen auf weichgepolsterten Redaktionssesseln. ERICH SCHÜTZ, Überlingen