Die Werbepause
: Kartoffeln aus dem Wald

Geschmackstest am Rohstoff Foto: McDonald’s

Mit der Aufklärung ist das vertrackt. Jeder will die Wahrheit, und am Ende macht man Yoga. Denn was bloß ist die Wahrheit? Logische Abstrakta fliegen neuer­dings auch aus Ecken herbei, aus denen man das nicht vermuten würde. Die Restaurantkette McDonald’s zum Beispiel verkündet eine derartige (Wahrheit), die sie die „McDonald’s-Wahrheit“ nennt. Das klingt ein bisschen nach Orwell’schem „Doppeldenk“, als gäbe es dahinter außerdem noch eine zweite, wirklich wahre (Wahrheit).

Aber nein, wir sehen sie ja gleich, da, vor uns, auf dem Bildschirm, mehr als drei Millionen Aufrufe bei Facebook, die einzig wahre (Wahrheit), in Deutschland natürlich: im Wald. „Die Pommes von McDonald’s sind aus Holz und Sägespänen“ steht da am Anfang, aha, mein Gott, wenn’s der Umwelt hilft.

Vögel zwitschern, Wanderstiefel treten sanft auf Laub, das Licht der gedanklichen Klarheit ballert brutal zwischen den geraden, hohen Stämmen durch. „Wichtig ist, dass der Stamm gesund ist“, sagt ein Förster und leckt am Baum, „dann braucht man gar nicht mehr viel zu salzen.“ Ein paar verhutzelte Waldmenschen heideggern Holz in der Hütte. „Ja, und so guat schauen sie dann aus, wenn’s fertig frittiert san“, sagt der Typ vom Anfang und beißt herzhaft in einen der Holzstifte.

Ein Warnhinweis folgt: „Glaub nicht alles, was man dir erzählt!“ Der mündige Zuschauer deutet sofort: ein Meisterwerk, Transgression der Werbeästhetik, der neue Trend zur Ironie. Das McDonald’s-Video könnte glatt von derselben Agentur sein wie das der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), in dem offenbart wird, dass (in Wahrheit) ein dressiertes Eichhörnchen die Ziehung eines Verspätungsbingos auslost.

Der Zuschauer denkt weiter: Ist es nicht toll, wenn hinter der Aufklärung endlich ein potenter Finanzpartner steckt? Welches konstruierte Gerücht wird wohl als Nächstes enthüllt werden? Blut im Ketchup? Hey, unsere Mitarbeiter werden total ausgebeutet? Das Passwort für unsere Firmen-PCs ist „Hygiene­skandal“? Wie gut also, dass ja das alles gar nicht echt ist, haha, nee, wirklich, voll ironisch und so, lol.

Wer auf www.mcdonalds.de/wahrheit geht, liest dort übrigens eine weitere, pommesdiskursiv-relevante Aussage: „Kartoffeln muss man behandeln wie Frauen.“ Über den ins Unendliche gehenden Deutungsmöglichkeiten dieses Satzes bricht der mündige Zuschauer zusammen. Adrian Schulz