Bonnie und Clyde im schwarzen Citroën

AUSREISSEN Klaus Bittermann liest in Hannover aus seinem tollen Roman "Sid Schlebrowskis kurzer Sommer der Anarchie und seine Suche nach dem Glück"

Man könnte sie manchmal schon als eine Art auswärtigen taz.salon verstehen, wie es ihn in Hamburg seit Jahren gibt. Oder wie es heute gerne heißt, als dessen „Pop up“-Variante: Mit der Spielzeit 2015/16 heuerte das Schauspiel Hannover nicht nur den taz-Autor Hartmut El Kurdi als Dramaturgen an, sondern auch dessen Veranstaltungsreihe, die „Teilzeit-Flaneure“. Seither begrüßt El Kurdi einmal im Monat VertreterInnen zumeist des komischen Faches zu seiner „Lese-Show“, und die kommen eben, wenn nicht gleich vom verdienstvollen Satiremagazin Titanic, oft aus den Reihen der taz-Wahrheitsseite.

Auch Klaus Bittermann ist im taz-Universum kein Unbekannter, und wenn der Kreuzberger Autor und Kolumnist, Verleger und Fußballfreund am Montag in der Cumberlandschen Galerie des Staatstheaters zu Gast ist, hat er seinen famosen, im Vorjahr erschienenen Roman dabei: „Sid Schlebrowskis kurzer Sommer der Anarchie und seine Suche nach dem Glück“ (Edition Tiamat, 240 S., 18 Euro).

Da klingt, bei entsprechender Aussprache wenigstens, der Gebrüder-Coen’sche Big Lebowski an, aber der, tja, Titelheld speist sich aus einer anderen Schicht populärer Kultur: Bittermanns Sid nämlich trifft, noch als Teenager, auf eine Nancy, und da denken Menschen eines bestimmten Alters (und wohl auch Milieus) an John Simon Ritchie alias Sid Vicious, den einstigen Bassisten der Sex Pistols: Auch in dessen kurzem Leben hatte es eine Nancy gegeben, das ehemalige Go-Go-Girl Nancy Spungen, und was beide verband, wird neben dem Heroin auch eine Spielart von Liebe gewesen sein.

Die Liebe nun sitzt irgendwann mit in dem schwarzen Citroën DS, auf dessen Ledersitzen Bittermann seinen Sid gleich im zweiten Satz des Buches Platz nehmen lässt. Da will der eigentlich ganz banal Michael Getaufte Ende der 70er abhauen aus dem proletarischen Elternhaus – ohne recht zu wissen, wohin.

Sid trampt also und wird mitgenommen von Nancy, die wirklich so heißt, Nancy von Westphalen gar, und wiederum ihres adeligen Hintergrunds reichlich überdrüssig ist. Sie stehlen Benzin und später manches andere, werden getrennt und suchen sich erst recht, und Bittermann schreibt darüber in beeindruckend leichtem Sound und hätte einen Sommerhit verdient gehabt.

Da ist die Entstehungsgeschichte beinahe nur noch die Kirsche auf dem Sahnehäubchen: eine Zeitungsmeldung über ein räuberisches Pärchen war es, die Bittermann vor Jahrzehnten las und in der Schublade verwahrte. ALDI

„Teilzeit-Flaneure“ mit Klaus Bittermann: Mo, 6. 3., 20 Uhr, Hannover, Cumberlandsche Galerie