Du glückliches Amerika!

Doku Beschwingter US-Patriotismus mit Promis („Die Amerika-Saga“, 20.15 Uhr, ZDFinfo)

Keine Frage, dass „Die Amerika-Saga“ nicht mit der Be­siedelung durch die Ureinwohner beginnt

Irgendwann juckt es die Fernsehmacher in den Fingern. Irgendwann wollen sie die ganze Geschichte erzählen, nicht der Welt, sondern des Volkes, an das sie senden. Vor neun Jahren also bescherte Guido Knopp uns „Die Deutschen“, in 20 Teilen. Die Quote passte – aber ach, die Kritiker wurden nicht müde zu kritteln: „Guido Knopp klöppelt eine Tradition zusammen wie ein gesticktes Deckchen auf dem Ruhekissen. Hier schafft Wissen ein gutes Gewissen“ (Stern).

Diese Kritiker sollten sich auf ZDFinfo die zwölfteilige „Amerika-Saga“ aus dem US-Fernsehen ansehen. Bereits der Gedanke, so ein Publikumsformat könnte ein Ort sein, um mit sich selbst ins Gericht zu ­gehen, muss dort ungefähr so befremdlich erscheinen wie Donald Trump der Sozialstaat oder Schweden. Deshalb ist es auch keine Frage, dass „Die Amerika-Saga“ nicht etwa mit der Besiedelung durch die Ureinwohner beginnt. Auch nicht mit den Wikingern oder Spaniern.

Mai 1610: „Abenteurer segeln über das Meer […] Sie formen eine Nation, die die mächtigste der Welt werden sollte.“ Die „Deliverance“ und Jamestown. Die „Mayflower“ und Plymouth. Dann schon der Unabhängigkeitskrieg. Die Franzosen- und Indianerkriege werden mit keinem Wort erwähnt. Es versteht sich, dass mit „Amerika“ nicht der Kontinent gemeint ist. Donald Trump sagt in die Kamera: „Ich kenne den Erfolg.“ Die Doku ist bebildert mit einer Kombination aus kostümiertem Reenactment und virtuosen Computeranimationen von, zum Beispiel, Gewehrkugeln auf ihren tödlichen Wegen, in Zeitlupe, dann wieder beschleunigt – Treffer mitten ins Herz!

Das größte Pfund aber ist die (amerikanische) Armada an Super-Promis, denen es offenbar eine Herzensangelegenheit war, „das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ (Michael Douglas) mit dem angemessenen Pathos und ohne jede falsche Angst vor Klischees und Overacting zu würdigen. Ein Indiz für ihre bedingungslose Identifikation: Auch wenn es um Jahrhunderte zurückliegende Ereignisse geht – sie sagen immer „wir“ (Originaltitel der Doku: „America: The Story of Us“).

So sagt „The West Wing“-Drehbuchautor Aaron Sorkin: „Wir wollten keine Steuern zahlen an einen König und ein Parlament, in dem wir weder eine Stimme noch eine Repräsentanz hatten.“ Ex-Außenminister Colin Powell: „Wir nahmen es mit der größten Supermacht der damaligen Zeit auf.“ Der Ex-NBC-Moderator Tom Brokaw: „Wenn uns einer schlägt, halten wir nicht die andere Wange hin. So sind wir nicht.“ Der Ex-Sportler Bruce Jenner (ZDF-Bauchbinde: „heute Caitlyn Jenner“): „Wir Amerikaner haben gelernt, dass man im Leben nicht weit kommt, wenn man nicht bereit ist, Risiken einzugehen.“ Entsprechendes wissen auch die New Yorker Ex-Bürgermeister Rudolph Giuliani und Michael Bloomberg beizutragen, die Musiker Sheryl Crow, Melissa Etheridge, John Legend, Sean Combs und, und, und.

William Bodette, ein Mann in Uniform, viele Orden an der Brust, die Bauchbinde ordnet ihn dem US Marine Corps zu, geht noch einen Schritt weiter: „General Washington war ein großartiger General. […] Ich wünschte, ich hätte damals für ihn kämpfen können.“ – Nur so zum Vergleich, man stelle sich einmal vor: einen Bundeswehroffizier, der sich im Fernsehen, im ZDF zum Beispiel, wünscht, er hätte damals, 1870/71, an Generaloberst von Moltkes Seite gegen die Franzosen kämpfen dürfen.

„Die Amerika-Saga“ erklärt so einiges – mehr als die 396. Talk­runde zum Thema Trump.

Jens Müller