Erneuerbare zu hart am Wind

STROM Eine versagende Abschaltautomatik könnte der Grund sein, warum um die Jahreswende Windräder wie Streichhölzer umknickten oder ihre Rotorblätter verloren

Die Unfallserie war spektakulär: Bei Böen sind im Dezember und Januar gleich vier Windkrafträder in Nord- und Ostdeutschland kollabiert. Allein am 3. Januar wurden zwei Anlagen zerstört: Im niedersächsischen Neu Wulmstorf bei Hamburg lag ein 94 Meter messendes Windrad wie ein abgeknicktes Streichholz auf einer Wiese. Im Windpark Briest in Mecklenburg-Vorpommern landete ein abgerissenes Rotorblatt gar in unmittelbarer Nähe einer Bundesstraße.

Zwar stehen Gutachten zu den Unfallursachen noch aus – doch in der Branche wird vermutet, dass fehlerhafte Abschalteinrichtungen zum Zusammenbruch der Windräder geführt haben. „Wir haben uns zwei Anlagen des Herstellers Dewind angeschaut“, bestätigte Robert Döring, Sprecher des Wartungs-Unternehmens Enertrag, der taz. „Nach unserer Einschätzung hat die sogenannte Pitch-Regelung nicht funktioniert.

Damit seien die Anlagen „nicht schnell genug aus dem Wind gedreht“ worden, meint Döring – die Rotorblätter könnten sich immer schneller gedreht haben, bis die auf die Windradmasten übertragenen Kräfte so groß wurden, dass diese brachen. In der Branche gelten zu träge reagierende Pitch-Regelungen als Schwachstelle der Windräder des 2015 vom Markt verschwundenen Herstellers Dewind. Die auch in Neu Wulmstorf bei Hamburg installierten Teile arbeiten hydraulisch und sind offenbar anfällig.

Unklar bleibt, warum auch zwei mit einer elektrischen Pitch-Regelung versehene Anlagen des Produzenten Tacke, den der Marktriese General Electric (GE) 2002 geschluckt hat, zerstört wurden. Hans Körner, Chef der Rasmus GmbH, die eine der Anlagen im Windpark Sitten in Sachsen betrieb, nennt als Havariegrund schlicht „Blattbruch“. Auch bei den Tacke-Anlagen stehen abschließende Gutachten noch aus.

Insgesamt sei die Windkraft aber eine sehr sichere Form der Stromerzeugung, versichert Wolfram Axthelm vom Bundesverband Windenergie. Jede der bundesweit mehr als 27.000 Anlagen werde alle zwei Jahre einer „wiederkehrenden Prüfung“ unterzogen. „Dabei wird nicht nur die Standsicherheit, sondern der gesamte technische Betrieb von unabhängigen Gutachtern überprüft“, sagt Axthelm. Die Rotorblätter würden jährlich überprüft.

„Solche Unfälle sind höchst unwahrscheinlich und selten“, meint auch Enertrag-Sprecher Döring. Zwar könne bei keiner technischen Anlage „einhundertprozentige Sicherheit“ gewährleistet werden – unbedenklicher als atomare Hochrisikotechnologie sei die Windkraft aber in jedem Fall. wyp