: Dersau könnte überall sein
meinland Wie es so ist in kleinen Dörfern: Die Gemeinschaft funktioniert nur, wenn alle mitziehen
Nicht weit entfernt vom Veranstaltungsort steht ein leerstehendes Gebäude: der Gasthof Appels. Dieses Restaurant wurde erst vor einem halben Jahr dichtgemacht. Ab April schließt auch die letzte Bank im Ort, der kleine Lebensmittelladen kämpft ums Überleben. Bäcker, Fleischer und die Schule gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Um die grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen, müssen die Menschen in den Nachbarort Ascheberg fahren, wo es Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten gibt. Doch Busse fahren selten, am Wochenende noch seltener. Die Menschen sind auf das Auto angewiesen, was vor allem für die Senioren des Ortes ein Problem darstellt.
Trotzdem sind sich hier alle einig: Der Titel „Wenn ein Dorf stirbt“ trifft nicht auf Dersau zu. Der Bürgermeister erklärt es so: „Dersau stirbt nicht, sondern evaluiert sich!“ Tatsächlich scheint Dersau dem gängigen Klischee eines sterbenden Dorfes nicht zu entsprechen.
Noch nie haben so viele Menschen in Dersau gelebt wie jetzt, vor allem junge Familien ziehen zu, vor einigen Jahren eröffnete ein Kindergarten neu. Die Anwesenden zählen die kulturellen Veranstaltungen im Dorf auf: Lesetag, Picknick, Vernissage. Silke Korbmacher vom Vorstand des Sportvereins verweist auf die Angebote: Zumba, Tischtennis und vieles mehr. Also doch alles halb so wild in Dersau?
Der Abend zeigt: Die Engagierten sind heute hierher gekommen. Dass das Ehrenamt überlebenswichtig für Dersau ist, weiß auch Holger Beiroth: „Wenn die Ehrenamtlichen aufhören würden, wäre Dersau wirklich tot.“ Die Freiwilligen lindern die größte Not. Etwa die Projektgruppe Zukunft, die eine besondere Lösung gefunden hat. Es gibt eine rote Bank im Ort, auf die sich jene setzen können, die nach Ascheberg gefahren werden wollen. Vorbeikommende Autofahrer können sie einfach mitnehmen.
Der Haken: Die Ehrenamtlichen leiden unter einem Nachwuchsproblem. Gerd Reis von der Projektgruppe erzählt, dass gerade mal neun aktive Mitglieder mitarbeiten. Die jungen Familien, die in den Ort ziehen, haben wenig Zeit, sich zu engagieren. Eine Frau erzählt, dass sie sich erst engagieren konnte, als ihre Kinder älter waren. Auch an diesem Abend ist sie später dazugestoßen, weil sie in Kiel arbeitet. Fehlt den Familien also Zeit – oder doch mehr?
Eine Teilnehmerin sagt: „Weil es keine Begegnungsstätte gibt, fehlt auch der Kontakt zu den jungen Familien.“ Ein junger Vater erzählt, dass er vor dem Umzug nach Dersau gar nicht wusste, was es vor Ort gibt: „Die Mindestanforderungen für uns waren der Kindergarten und die Schule.“
Susanne Elbert vom Grünen-Kreisverband macht darauf aufmerksam, dass sich Dersau besser präsentieren müsse, um attraktiver zu werden. Auch sie wusste vorher wenig über die Strukturen vor Ort und hatte sich auf dem Weg zur Veranstaltung gar verfahren. Vielleicht müsse die Gemeinde offensiver mit ihren Angeboten werben, um Menschen anzuziehen. Die von Holger Beiroth angeführte Homepage reiche möglicherweise nicht aus.
Zwei Stunden diskutieren die Menschen leidenschaftlich. taz-Moderator David Joram muss kaum Impulse geben. Das Mikrofon wird fleißig herumgereicht, es werden Ideen geteilt und auch hinterfragt. Bürgermeister Beiroth meint: „Wir müssen uns alle an die eigene Nase fassen. Wenn wir nicht vor Ort einkaufen, müssen wir uns nicht wundern, wenn das Angebot wegbricht.“
Der nächste Termin des taz-meinland-Teams ist der 16. Mai in Ramstein-Miesenbach. Das Thema lautet dann: „Unter Drohnen“. Laila Oudray
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