„Psychisch Kranke nicht gefährlicher“

Die drei Fragezeichen

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Sabine Nowara,58, ist Fachpsychologin für Rechtspsychologie. Sie hat unter anderem zur Therapie mit psychisch kranken Straftätern geforscht.

WAS? In Düsseldorf greift ein Mann mit einer Axt Fahrgäste auf dem Bahnsteig an. Die Polizei lässt alsbald verlauten, der Täter sei „psychisch krank“.

1taz.am wochenende: Frau Nowara, wie schnell weiß man, ob ein Gewalttäter „psychisch krank“ ist?

Sabine Nowara: Wenn jemand eine akute wahnhafte Erkrankung hat und sich bedroht fühlt von höheren Mächten, das könnte man schnell merken. Eine Persönlichkeitsstörung dagegen kann man in einem kurzen Kontakt noch nicht feststellen. Wenn ich im Rahmen eines Strafverfahrens Gutachten erstelle, brauche ich grundsätzlich mehrere Stunden für die Begutachtung.

2 Gibt es bei Straftätern gleitende Übergänge zwischen „krank“ und „gesund“?

Wir unterscheiden zwischen Einsichtsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit. Wenn jemand eine Psychose hat, dann kann es sein, dass derjenige nicht einsichts­fähig ist bei seiner Tat. Er weiß gar nicht, dass er ­etwas Unrechtes getan hat. Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung sind einsichtig, können jedoch sich möglicherweise nur mehr oder weniger gut steuern.

3 In der Öffentlichkeit entsteht leicht der Eindruck, psychisch Kranke seien besonders gefährlich.

Psychisch Kranke sind nicht gewalttätiger als Normalbürger auch. Wenn sich ein psychisch Kranker akut bedroht fühlt und dann gewalttätig wird, ist das etwas anders, als wenn jemand während eines geplanten Bankraubs gewalttätig wird. Wenn, dann legen psychisch Kranke häufiger Hand an sich selbst, als dass sie anderen gefährlich werden.

Interview
Barbara Dribbusch