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HAMBURGER BAHNHOFDie erste Liebe

Irgendwann knutschten sie, auf irgendwie erotikferne Art

Da war dieses andere Paar, Mami und Papi, es hatte eine ruhige Art, sich zu unterhalten, meistens sprach er, während sie ihn anschaute, gelegentlich nickte, dann auch etwas sagte. Irgendwann knutschten sie, auf innige, aber irgendwie erotikferne Art.

Ihre kleine Tochter Freda spielte währenddessen einkaufen. Sie und der Kleine, der nicht mein Sohn war, reichten sich Spielsachen aus der Spielecke, liefen hinter dem Kellner her, um Eis zu bestellen, und gingen irgendwann Händchen haltend durch den Laden, das Museumscafé im Hamburger Bahnhof von Sarah Wiener, die natürlich nicht da war. Der Kaffee war gut, der Kuchen konnte sich sehen lassen, allerdings ist der Käsekuchen ebenfalls Wiener Natur, während ich inzwischen den neumodischen New Yorker Art bevorzuge. Meine Ex hatte ein Stück Sachertorte, das gut aussah, nach einer halben Stunde aber etwas trocken wurde. Nebenan im Museum gab es Kunst, die sich mit dem Thema befasste. Nicht mit dem Nick-Hornby-Thema, von wegen drei Exfreundinnen in vier Tagen, wie mir die Mittlere am Vorabend vorgehalten hatte. Nein, es gab Kunst, die sich mit dem Thema Kindheit auseinandersetzte. Turmhohe Straßenlaternen, zu große oder zu kleine Menschen, Messdiener, Kindheit in Westdeutschland. Beste Arbeit: das Klassenfoto, ein gelooptes Video, alle müssen drei Minuten stillstehen. Der Künstler heißt Martin Honert und kommt aus Bottrop.

Irgendwann kam die Stunde des Abschieds. Das Paar, das froh über die Stunde war, das es mal für sich hatte, musste zurück nach Magdeburg, Ex und der Kleine gen Westen. Die erste Liebe, so schnell zerbrochen: Freda und der Kleine irrlichterten noch eine Weile um sich herum, Abschied ist schwer. Irgendwann verabschiedeten auch wir uns. Auf dem Rad, auf dem Weg zurück durchs Regierungsviertel, schien mir Berlin kalt, saukalt, aber auch herrlich. RENÉ HAMANN

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