Kommentar von Hermannus Pfeifferüber die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank
: Draghi erfolgreich und überschätzt

Die Notenbank trägt dazu bei, dass die Wirtschaft wieder langsam wächst

Mario Draghi macht seinen Job. Und er macht ihn richtig. Das einzige erklärte Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) und ihres Präsidenten lautet: die Inflationsrate auf mittlere Sicht „unter, aber nahe 2 Prozent“ zu halten. Nun stiegen die Preise im Februar auf die magischen 2 Prozent. Das befeuert vor allem im reichen Deutschland mal wieder die Diskussion über einen baldigen Ausstieg der EZB aus ihrer ultraexpansiven Geldpolitik.

Doch rechnet man die extrem schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel heraus, dann kommt in der gesamten Eurozone eine Kerninfla­tionsrate heraus. Und die zählt. Im Februar verharrte sie bei niedrigen 0,9 Prozent. Es besteht also kein Grund für einen Kurswechsel, wie ihn Bankenverbände und Sparer wünschen. Der Leitzins bleibt auf Rekordtief.

In der Krise hatte Draghi die Notenpresse angeworfen. Die Bilanz seiner Zentralbank schwoll in wenigen Jahren von 500 auf 3.000 Milliarden Euro an. Damit rettet er – ob nun gewollt oder nicht – Griechenland vor dem Kollaps und bremst in Spanien die unvorstellbar hohe Massenarbeitslosigkeit. Mit dem fallenden Eurokurs fördert Draghi auch die deutsche Exportwirtschaft, und er verschafft einem seiner schärfsten Kritiker, Bundesfinanzminister Schäuble, milliardenschwere Zinsgewinne für den Staatshaushalt. Unterm Strich trägt Draghis Notenbank dazu bei, dass die Wirtschaft in fast allen Euroländern wenigstens wieder langsam wächst. Aus dem Gröbsten raus ist Europa aber nicht.

Zugleich wird Draghis Macht nicht allein von linken Ökonomen gern überschätzt. Mehr als die schlimmsten Übel verhindern kann keine Zentralbank. Zumindest, wenn sie die Politiker im Stich lassen. Die Verantwortung für Konjunktur und Jobs haben die elitären Spar­apos­tel in Berlin, Paris, aber auch in London dennoch schon vor Langem bei ihren Zentralbankern abgeladen. Damit beförderten sie den Boom aller Rechtspopulisten.

Die Bosse zeigen Draghi ebenfalls die kalte Schulter. Nicht allein in Griechenland und Italien, auch in Deutschland legen die Konzerne einen Großteil ihrer Gewinne lieber auf den Finanzmärkten an, statt sie in die reale Wirtschaft zu investieren. So wurde Deutschland 2016 wieder Weltmeister beim Kapitalexport. Trotz und wegen Draghi.

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