Die Wahrheit: Reservat für Kaskopp
Ausgerechnet kurz vor der Wahl in den Niederlanden wird bekannt: Der Rechtspolitiker Geert Wilders besitzt eine wilde genetische Vergangenheit.
Als der niederländische Rechtsaußen Geert Wilders im Wahlkampf vom „marokkanischen Abschaum“ sprach, der die Straßen unsicher mache, frohlockten die Ausländerfeinde, die bereits fest entschlossen waren, Wilders’Partei PVV ihre Stimme zu geben.
Doch mittlerweile gehen Gerüchte um, die dazu geeignet sein könnten, dem Ruf des Politikers gerade bei seinen Stammwählern erheblichen Schaden zuzufügen: Wissenschaftler vom Institut für Molekulargenetik in Nijmegen wollen herausgefunden haben, dass Wilders’Ahnentafel etwas anders aussieht, als es seinen eingeschworenen Anhängern lieb sein kann.
„Dank seiner feuchten Aussprache ist es uns nicht schwergefallen, eine DNS-Probe von ihm sicherzustellen“, erklärt der Institutssprecher Rob Thijssen (42). „Bei ihrer Analyse sind uns einige Ungereimtheiten aufgefallen. Wir haben Erbanlagen entdeckt, die darauf hindeuten, dass sich ein Menschenaffe in Wilders’Stammbaum befindet. Genauer gesagt: ein Orang-Utan-Weibchen der Unterart Pongo pygmaeus pygmaeus, das im achtzehnten Jahrhundert gelebt haben müsste. Dessen Gene sind nach unseren Erkenntnissen über die väterliche Linie in Wilders’Erbgut gelangt …“
Chimäre aus Mensch und Orang-Utan
Renommierte Biologen halten dem entgegen, dass die Kreuzung von Menschenaffen und Menschen wegen der unterschiedlichen Anzahl von Chromosomenpaaren ausgeschlossen sei. Für Thijssen ist dieser Einwand jedoch „reine Augenwischerei“. „In seltenen Fällen kommt es zu Mutationen, die solche Kreuzungen ermöglichen. Die Frage wäre nur, ob eine Chimäre aus Mensch und Orang-Utan dann auch ihrerseits das fortpflanzungsfähige Alter erreichen könnte. Wir haben das jedenfalls alles sehr gewissenhaft überprüft.“
Bei einer achtwöchigen Expedition durch die Wälder von Borneo sind sieben Experten des Instituts den Spuren von Wilders’Ururururur- oder auch Ururururururgroßmutter nachgegangen. „Am Anfang war das natürlich wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen“, sagt Thijssen schmunzelnd. „Aber mit Hilfe genetischer Stichproben in der Menschenaffenpopulation und anhand historischer Tierporträts aus der Feder von Forschungsreisenden hat unser Team den einstigen Lebensraum des Weibchens immer enger eingrenzen können und ist schließlich auf dessen Skelettreste gestoßen. Wir haben sie gründlich untersucht. Das Resultat ist eindeutig: Geert Wilders stammt von diesem Orang-Utan-Weibchen ab. Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel.“
Das Ganze klingt wie eine Räuberpistole aus dem Arsenal einer Fake-News-Fabrik. Und selbst wenn die Geschichte wahr wäre – was würde daraus folgen? Soll Geert Wilders dann nach Südostasien abgeschoben werden? Oder in den Zoo von Amsterdam?
Aussöhnung zwischen Mensch und Natur
„Für politische Fragen sind wir nicht zuständig“, sagt Rob Thijssen. „Uns geht es allein um den naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. Als Privatmann darf ich aber vielleicht hinzufügen, dass es durchaus denkbar wäre, Geert Wilders die bürgerlichen Ehrenrechte vorläufig abzuerkennen und ihn bis zur endgültigen Klärung aller ihn betreffenden Statusfragen in Quarantäne zu halten. Und wer weiß – ich hätte ihm früher keine günstige Sozialprognose gestellt, aber möglicherweise entwickelt er sich nun ja sogar zu einem Vorreiter der Aussöhnung zwischen Mensch und Natur. Man kann nie wissen!“
Immerhin ist der World Wide Fund For Nature inzwischen bestrebt, Geert Wilders unter Artenschutz zu stellen und ihm ein Biotop im Nordholländischen Dünenreservat anzuweisen, wo er der Notwendigkeit enthoben wäre, immer neue Revierkämpfe austragen zu müssen. Im Interesse einer artgerechten Haltung wäre dort dann allerdings die Anpflanzung von Affenbrotbäumen erforderlich. Unter der Aufsicht geschulter Veterinäre und Ranger hätte Wilders in diesem Reservat die besten Überlebenschancen, und bei guter Führung könnte er nach einigen Jahren im Tieflandregenwald von Borneo ausgewildert werden – freilich nur unter der Voraussetzung, dass das zuständige Forstamt und die lokale Tierwelt sich mit dem bärbeißigen Immigranten Wilders anfreunden können.
Die Ergebnisse der jetzt schon sprichwörtlichen „Wilders-Studie“ des Instituts für Molekulargenetik werden im März in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Aus der Wahlkampfzentrale der PVV liegt bis zur Stunde noch keine Stellungnahme zu der Sache vor.
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