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Gar kein Ausdruck

TAGESPRESSE Dienstags und samstags erscheinen zwei norwegische Tageszeitungen nun nicht mehr als Printausgabe. Der Anfang vom Ende für die gedruckte Zeitung?

Printleser – künftig nur noch ein Denkmal? Foto: Sven Nacktstrand/afp

aus Stockholm Reinhard Wolff

Abonnenten des Halden Arbeiderblad können sich heute den Gang zum Briefkasten sparen: Die einzige Lokalzeitung der südnorwegischen Stadt Haldern wird von nun an nicht mehr in gedruckter Form erscheinen – zumindest dienstags und samstags. So wird es ab der kommenden Woche auch beim Fremover, dem Lokalblatt im nordnorwegischen Narvik sein.

Was in Halden und Narvik passiert, ist kein Einzelfall: Seit 2015 verzichtet jede zehnte der mehrmals wöchentlich erscheinenden norwegischen Lokalzeitungen an ein oder zwei Wochentagen auf eine Papierausgabe. Die Begründung der Verlage: Seit der Jahrtausendwende ist die Druckauflage um rund ein Drittel geschrumpft. Daraus resultierende Verluste habe man über die digitale Leser und Anzeigenkunden nur teils kompensieren können – weswegen die Kosten für das bisherige Printangebot schlicht zu hoch seien.

Das Halden Arbeiderblad verkauft die Schrumpfkur seinen AbonnentInnen mit dem Slogan „Weniger Papier, mehr Zeitung“. Durch die Einsparungen bei der Printausgabe würden Ressourcen frei, mit denen man „digital Gas geben“ könne, kündigt Chefredakteur Hans-Petter Kjøge an. Bei Fremover verspricht man gleich „die beste digitale Lokalzeitung des Landes“ als Ersatz für das Papierprodukt.

Fremover-Chefredakteur erwartet, dass andere Blätter dem Beispiel folgen werden – falls die Umstellung funktioniere. Tatsächlich dürfte das Ganze für den gesamten Amedia-Konzern ein Testlauf sein. Halden Arbeiderblad und Fremover gehören zu diesem größten norwegischen Lokalzeitungskonzern – hinter Schibsted ist er das zweitgrößte Medienhaus des Landes an. Vor 70 Jahren von Sozialdemokraten und Gewerkschaften gegründet gehört der Konzern nun einer Sparbankstiftung. Amedia gibt 62 Lokalzeitungen heraus, die 1,9 Millionen LeserInnen erreichen – also fast jeden zweiten Erwachsenen des Landes.

Mit dieser Marktstellung kann Amedia treibende Kraft beim digitalen Umbau der norwegischen Zeitungsbranche sein. Insgesamt steht die gar nicht so schlecht da: 85 Prozent der NorwegerInnen über 12 Jahren konsumieren täglich Zeitungsinhalte – mehrheitlich allerdings digital. Neben 10 überregionalen erscheinen in Norwegen 57 regionale und lokale Tageszeitungen täglich – und über 140 lokale Blätter zwischen drei- und einmal wöchentlich. Fast alle haben aber einen Internetauftritt, meist mit einer Paywall versehen.

Bedenken, damit ältere LeserInnen zu überfordern, hat man beim „Halden Arbeiderblad“ nicht

Während Print immer weiter schrumpfte, wuchs bei der Tagespresse die digitale Teilauflage um über 50 Prozent. Diese Entwicklung habe Mut zum jetzigen Schritt gemacht, sagt Halden-Arbeiderblad-Chefredakteur Kjøge. Bedenken, damit vor allem ältere LeserInnen zu überfordern, habe er nicht.

Dienstag und Samstag habe man nicht zufällig gewählt, betont sein Fremover-Kollege Andersen: Untersuchungen hätten ergeben, dass die Dienstag-Ausgabe am wenigsten gelesen werde. Überraschend habe sich auch gezeigt, dass die Leser die Wochenendausgabe zwar sehr schätzten, gleichzeitig aber beklagten, zu wenig Zeit für deren Lektüre zu haben. Daher habe sich angeboten, ihr Erscheinen auf Freitag vorzuziehen. Zudem gibt es Vertriebsprobleme: Samstags wird in Norwegen keine Post mehr ausgetragen.

Auch die MedienforscherInnen der Hochschule Volda erwarten laut ihrem jüngsten Presserapport eine Fortsetzung der Entwicklung zu weniger „Papiertagen“. Sie warnen aber, dass die nur erfolgreich sein könne, wenn den LeserInnen gleichzeitig mehr geboten werde – ein besseres Digitalangebot etwa oder umfangreichere Printausgaben. Denke man nur ans Sparen, werde man scheitern: „Dann springen noch mehr Leser ab und die Problemspirale für die Branche wird sich noch schneller drehen.“

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