Alle für neun Jahre

GYMNASIEN Nach zwölf Jahren dürfte sich die CSU wieder vom G8 verabschieden. Auch die Wirtschaft will zu junge Schulabgänger nicht

Gymnasium in Straubing Foto: Armin Weigel/dpa

MÜNCHEN taz | Die endgültige Entscheidung stand am Montagnachmittag noch aus, dennoch hegte kaum jemand Zweifel daran, wie sie ausfallen würde: Bayern kehrt zum neunjährigen Gymnasium zurück. Die Schüler sind dafür, die Lehrer, die Eltern, die Opposition, selbst die Junge Union und nicht wenige CSU-Abgeordnete. G8-Befürworter zu finden ist nicht leicht. In der CSU-Fraktion gibt es ein paar. Thomas Kreuzer, ihr Chef, gehört dazu.

Seit Monaten schon gärt das Thema. Kultusminister Ludwig Spaenle mühte sich erfolglos ab, den Unmut über G8 zu dämpfen, und legte diverse Kompromissvorschläge vor. Schließlich musste er sich von Ministerpräsident Horst Seehofer rügen lassen und durfte wie ein Schulbub zuschauen, wie sein Chef die Sache selbst in die Hand nahm. Letzte Woche traf sich Seehofer mit Bildungsverbänden, dann mit den Vorsitzenden von Städte- und Landkreistag. Am gestrigen Montag stand schließlich ein Gespräch mit Vertretern der CSU-Fraktion auf der Agenda.

Das G8 war 2004/2005 hastig eingeführt worden. Treibende Kraft war der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber, umsetzen musste es die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier. Im Mittelpunkt standen dabei aber nicht die Schüler, sondern der Wunsch, sie früher der Berufswelt zuzuführen – wegen des internationalen Wettbewerbs.

Die Anlaufschwierigkeiten waren enorm. So fehlte die Mittagsbetreuung. Die sogenannten Intensivierungsstunden, ein zentraler Bestandteil des G8, wurden von fachfremden Lehrern gehalten. Doch auch später konnte das kurze Gymnasium niemanden so richtig begeistern. Selbst der Wirtschaft sollen die Berufsanfänger zu jung gewesen sein.

Zum vergangenen Schuljahr führte Spaenle dann die Mittelstufe plus ein. An 47 bayerischen Pilotschulen haben die Schüler seither die Möglichkeit, nach der neunten Klasse ein zusätzliches Jahr einzuschieben. Doch statt die Kritiker zu besänftigen, bestätigte es sie: Rund zwei Drittel der teilnehmenden Schüler entschieden sich für die neunjährige Variante. Zwischenzeitlich hieß es dann, die Gymnasien sollten selbst entscheiden, ob sie G8 oder G9 oder beides anbieten wollten.

Die bildungspolitische Rolle rückwärts liegt im Trend: Niedersachsen hat sie schon vollzogen, in Nordrhein-Westfalen läuft derzeit ein Volksbegehren gegen G8, und auch in Schleswig-Holstein ist es Wahlkampf­thema.

Wenn das neunjährige Gymnasium wieder eingeführt wird, soll es freilich nicht das alte G9 sein, wie es Schulabgänger der Achtziger und Neunziger kannten. Die Kollegstufe mit Leistungs- und Grundkursen soll es so nicht wieder geben. Wie aber wird der Lehrplan aussehen? Seehofer legt Wert darauf, solche Fragen sofort zu klären: „Wir werden nichts entscheiden, was nicht von A bis Z klar ist. Wir machen jetzt nicht das G9, und anschließend arbeitet das Kultusministerium ein oder zwei Jahre am Lehrplan.“

Eine weitere wichtige Frage: Wer zahlt’s? Die Kommunen wollen, dass der Freistaat die Kosten der Umstellung übernimmt. Bayern freut sich gerade über Mehreinnahmen von 1,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Also ist es nicht der schlechteste Zeitpunkt für die Rückkehr zum G9. Es geht schließlich um Hunderte neue Lehrerstellen, die Erweiterung von Schulgebäuden, zum Teil um komplett neue Gymnasien.

Die spannendste Frage aber: Wie kommt die Staatsregierung aus dem G8-Blamage heraus, ohne ein grandioses Scheitern in der Bildungspolitik einzuräumen? Die Antwort darauf dürfte auch Ludwig Spaenle interessieren. DOMINIK BAUR