Neues Wassergesetz verwässert

NIEDERSACHSEN Die Bauern-Lobby kann einen Punktsieg feiern: Umweltminister Stefan Wenzel muss beim Schutz vor Überdüngung und Pestiziden Ausnahmen einräumen

Preis von Massentierhaltung und Überdüngung: Algenblüte auf dem Dümmer See Foto: Ingo Wagner/dpa

AUS HANNOVER Andreas Wyputta

Im Streit um sauberes Grundwasser bekommt Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel Unterstützung von Ökologen und Naturschützern. „Der Gewässer- und Umweltschutz muss im Vordergrund stehen“, fordert Holger Buschmann, Landesvorsitzender des Naturschutzbunds (Nabu). „Völlig übertrieben“ seien Klagen der Opposition, Landwirten drohe wie in der ehemaligen DDR eine „faktische Enteignung“, betont auch Vera Konermann, Gewässerreferentin des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND).

Niedersachsens Bauernverbände wie das „Landvolk“ klagen dagegen, ein besserer Gewässerschutz beschleunige das Höfesterben. Konkret geht es um einen fünf Meter breiten Streifen am Ufer von Flüssen, Bächen und Gräben, auf dem laut einer von SPD und Grünen vorgelegten Novelle des Wasserschutzgesetzes künftig jeder Einsatz von Düngemitteln oder Pestiziden untersagt sein soll.

Damit würden rund 80.000 Hektar Fläche nur noch eingeschränkt nutzbar sein, argumentieren Landvolk-Vertreter. Bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 80 Hektar plane Umweltminister Wenzel, „mit einem Streich 1.000 Betriebe platt“ zu machen, klagte etwa der agrarpolitische Sprecher der CDU im Landtag, Frank Oesterhelweg. Das Wassergesetz der rot-grünen Landesregierung sei ein weiterer „Sargnagel“ für Niedersachsens Bauern.

Allerdings ist ein besserer Schutz des Grundwassers gerade in Deutschlands Agrarland Nummer 1 überfällig. „95 Prozent aller Oberflächengewässer in Niedersachsen sind in keinem guten Zustand“, mahnt nicht nur Vize-Regierungschef Wenzel. Auch Versorger wie der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) warnen seid Jahren, besonders in Hochburgen der Massentierhaltung wie in der Region Weser-Ems, in Landkreisen wie Vechta, dem Emsland oder der Grafschaft Bentheim sei die Trinkwasserversorgung ernsthaft gefährdet.

Grund dafür sind die Exkremente der Millionen Nutztiere, die dort oft auf engstem Raum gehalten werden (siehe Kasten). Sie landen auf den Äckern, enthalten aber Phosphor und Nitrat. Das wird im menschlichen Körper in krebserregendes Nitrit umgewandelt, wogegen Phosphor zu Algenblüten führt und Gewässer umkippen lässt.

Hauptproblem der Intensiv-Landwirtschaft nicht nur in Niedersachsen bleibt die Massentierhaltung.

Allein zwischen Weser und Küste werden fast neun Millionen Schweine, mehr als 2,6 Millionen Rinder, und Hunderte Millionen Hühner gehalten.

Deren Gülle und Trockenkot landet auf den Äckern: Mehr als 58 Millionen Tonnen waren das zwischen Juli 2015 und Juni 2016.

Phosphat und Nitrat aus den Exkrementen gelangen so tonnenweise in Flüsse, Seen und ins Grundwasser. Sie sorgen nicht nur für Algenblüten und Badeverbote, sondern sind gesundheitsgefährdend: Nitrat kann im menschlichen Körper zu potenziell krebserregendem Nitrit umgewandelt werden.

Wasserversorger dürften ihre Trinkwassergewinnungsanlagen künftig deshalb mit immer aufwändigeren Filtern ausrüsten müssen.

Werden Überdüngung und Pestizideinsatz nicht reduziert, könnte das Lebensmittel Nummer 1 um bis zu 60 Prozent teurer werden, warnt Niedersachsens Umweltminister Wenzel schon heute.

Dennoch kommt auch von den Sozialdemokraten Widerstand gegen die Einführung des fünf Meter breiten Gewässerschutzstreifens. Gerade Bauern im sogenannten „nassen Dreieck“ zwischen Bremen, Cuxhaven und Stade sowie in Ostfriesland mit seinen vielen Entwässerungsgräben drohten „dramatische Folgen“, warnte etwa SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies: „Bis zu 20 Prozent“ der landwirtschaftlichen Fläche könne dort nicht mehr bewirtschaftet werden, sagte der aus Sande bei Wilhelmshaven stammende Politiker der im benachbarten Oldenburg erscheinenden Nordwest-Zeitung.

Zwar betont der Umweltminister Wenzel, er wolle mit Einführung des fünf Meter breiten Schutzstreifens nur Bundesrecht umsetzen – nur einer von der schwarz-gelben Vorgängerregierung in Kraft gesetzten Ausnahmeregelung sei überhaupt zu verdanken, dass dort Gülle und Pestizide ausgebracht werden dürften. Auf Druck des großen Koalitionspartners scheint sich der Grüne aber der Landwirtschaftslobby zumindest teilweise beugen zu müssen: Im Landtag kündigte Wenzel bereits Ausnahmeregelungen etwa für Ostfriesland, die Wesermarsch und die Region Cuxhaven mit ihren Entwässerungsgräben an.

Dazu soll die rot-grüne Wasser-Novelle noch einmal überarbeitet werden. Wann das Gesetz im Detail vorliegt, ist unklar. Umweltschützer wie die BUND-Frau Konermann mahnen aber Konsequenz an: Wenn in unmittelbarer Ufernähe gedüngt werde, müsse eben insgesamt weniger Gülle auf Äcker und Wiesen gekippt werden.