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Verkehrswende in die Leitplanke

Schwarz-gelbe Geisterfahrer: Nachdem das Land angekündigt hatte, das Wenden auf Autobahnen unter Polizeiaufsicht zu erlauben, setzen Fahrer das Vorhaben selbst um. Kritik an NRW-Regierung

VON MARTIN TEIGELER

Die schwarz-gelbe Verkehrswende geht nach hinten los. Nachdem NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) zu Wochenbeginn ein Wenden auf der Autobahn als Notfallmaßnahme befürwortet hatte, kam es gestern zu gefährlichen Fahrmanövern auf der A31 bei Gescher im Münsterland. „Mehrere“ Autofahrer drehten wegen eines Staus, so ein Sprecher der Autobahnpolizei Münster. Die „Geisterfahrer“ seien zur nächsten Anschluss-Stelle zurückgefahren. Weil die Polizei schnell vor Ort war, konnten Unfälle vermieden werden.

Die Autobahnpolizei sieht in Medienberichten die Ursache für das gefährliche und verbotene Verhalten. Am Dienstag hatte das NRW-Innenministerium Presseberichte bestätigt, wonach bei Staus auf Autobahnen Fahrer künftig „unter ganz strikter Anleitung der Polizei“ wenden dürfen. In Frage komme das Wenden nur im Fall eines gravierenden Staus, bei dem die Polizei annehme, dass die Ursache länger vorliegen werde oder die Autobahn gesperrt werden müsse.

Bisher sei das Wenden auf Autobahnen zwar theoretisch möglich gewesen, aber nur in Ausnahmefällen angewendet worden, so Wolfgang Beus vom Düsseldorfer Innenministerium. Das Stau-Auflösen durch Wenden gehört zu einem Handlungskonzept, mit dem Innenminister Wolf die zahlreichen Staus auf nordrhein-westfälischen Autobahnen bekämpfen will. Dass Autofahrer die Ankündigung nun eigenmächtig umsetzen, versteht das Ministerium nicht. „Das ist eine Straftat“, so Behördensprecher Beus. Es sollte doch eine Sache des „gesunden Menschenverstands“ sein, dass Autofahrer nur unter strenger Polizeiaufsicht wenden dürften. Das Fehlverhalten auf der Autobahn bei Gescher erklärt sich Beus mit einer „verkürzten Berichterstattung“ in einigen Medien.

Verkehrsexperten kritisieren hingegen das Vorgehen der Landesregierung. „Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Autofahrer so reagieren“, sagt Sven Janssen vom Automobilclub von Deutschland (AvD). Dabei hätte es überhaupt keiner besonderen Ankündigung bedurft. „Dass Staus unter Polizeiaufsicht abgeleitet werden, ist doch bereits jetzt gängige Praxis“, so Janssen. Es sei gefährlich, aus dieser Selbstverständlichkeit Meldungen zu machen, die zu Missverständnissen regelrecht einlüden. Auch aus dem Bundesverkehrsministerium war gestern auf Anfrage zu hören, dass die Ankündigung aus NRW lediglich wiederholt habe, was laut Straßenverkehrsordnung schon rechtlich möglich sei.

Doch der nordrhein-westfälische Wendeplan ist offenbar nicht nur gefährlich, sondern auch wenig sinnvoll. „Wir halten nicht allzu viel von diesem Vorschlag“, sagt Florian Mazur, Verkehrsforscher an der Uni Duisburg-Essen. Das Ableiten langer Staus zurück in andere Straßennetze bringe meist wenig, weil es dann häufig nur zur Überlastung und Staus auf Bundes- und Landstraßen komme.

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