Berliner Platte
: London, San Francisco, Sri Lanka, die Prärie? Pah! In Berlin spielt die Musik!

Jahcoozi: „Pure Breed Mongrel“ (Kitty-Yo/Intergroove). Jahcoozi live: 30. 9., 23 Uhr, WMF!Bring Back The Buffalo: „Bring Back …“ (Persona/Alive)Safety Scissors: „Tainted Lunch“ (Scape/Indigo)

Den Exilanten sei Dank ist nun auch endlich Grime hier in Berlin angekommen. Mit Jahcoozi im Ohr wird aus Kreuzberg glatt Brixton, denn das Trio beweist, dass die aktuell letzte britische Weiterentwicklung von HipHop, bislang als vornehmlich lokal zu verstehendes Phänomen wahrgenommen, anscheinend doch internationalisiert werden kann – oder zumindest nicht notgedrungen auf den Standort London angewiesen ist. Dabei adaptiert Beatbauer Robot Koch für Jahcoozis Debütalbum „Pure Breed Mongrel“ vornehmlich den rüden Sound von Grime, die so fies wie abgrundtief schnarrenden Frequenzen, die im Magen ankommen, lange noch bevor sie zu hören sind. Ganz so anspruchsvoll verschachtelt wie bei M.I.A. sind die Rhythmen allerdings nicht geraten, aber dafür teilt Jahcoozi-Vokalistin Sasha Perera mit ihrem Londoner Gegenstück überraschend viele biografische Details: Beide sind in Sri Lanka geboren und in London aufgewachsen. Auch inhaltlich sind sie sich nah, vertritt doch auch die seit fünf Jahren in Berlin lebende Perera in ihren mal gerappten, mal gesungenen Texten ein selbstbewusst offensives Frauenbild, behandelt gesellschaftlich Relevantes und in „Black Barbie“ wird Santanas „Black Magic Woman“ weniger zitiert als eher verballhornt und schlussendlich umgewertet.So wenig berlinerisch die vertrackten Beats von Jahcoozi sind, so sehr steht der Ausgangspunkt, von dem Bring Back The Buffalo beginnen, für die Hauptstadt. Das, was Stewart Walker aus Boston und Marco Tonni aus Bologna, die sich mit eigenen Veröffentlichungen einen Namen gemacht haben, bevor sie sich in Berlin zum Duo fanden, gemeinsam programmieren, knuspert und knausert erst einmal so daher, wie man es von Elektronika kennt, für die Berlin im Ausland bekannter ist als hierzulande. Vor allem Walker hat sich zusehends entfernt von seinen Wurzeln: kein steifer, abstrakter Minimal Techno mehr, stattdessen luftige, groovige Stücke, ja Songs sogar, und hier beginnt endgültig Neuland. Walker singt mit zerbrechlicher Stimme Texte über Beziehungsprobleme, Missverständnisse oder schlicht Impressionen. Als „moderne Lagerfeuersongs“ möchten es die Künstler verstanden wissen, und tatsächlich klimpert bisweilen eine akustische Gitarre über einem filigran verschraubten, eher Atmosphäre als Rhythmus beschwörenden Teppich, sodass sich der Hörer wegträumen kann in eine Zeit, als Büffelherden noch das Grasland platt trampelten.Ja Berlin, was wärst du ohne deine Neuberliner. Eine Stadt mit vielen missmutigen Taxifahrern und wenig wirklich guter Musik, eine Prärie ohne Büffel. Allerdings kehren dir die Ersten bereits wieder den Rücken: Prominentester Abgang ist Matthew Curry alias Safety Scissors, der wieder ins heimatliche San Francisco zurückgekehrt ist, aber mit seinem neuen Album „Tainted Lunch“ eine Postkarte zurück ins ehemalige Exil schickt, die größtenteils aber noch dort aufgenommen wurde. Die Liste der Gäste, darunter Kevin Blechdom, Françoise Cactus und Vladislav Delay, beweist es: Alle Wege führen nach Berlin. THOMAS WINKLER