Die Bürger-Retter

SEEnot Die Geschichte der Seenotretter ist auch eine von Aufklärung, Emanzipation – und Mut. Manche Retter gaben im Einsatz ihr Leben. Ihrer wird heute gedacht

Eine Bürgerinitiative, die Leben rettet: Die Seenotretter Foto: Ingo Wagner/dpa

von Jean-Philipp Baeck

So auf den ersten Blick könnte man auf die Idee kommen, sie hätte etwas Piefiges, diese Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS): In den dunkelsten Hafenkaschemmen stehen die kleinen Spendenschiffchen der Seenotretter auf den Tresen und wirken neben der Fischernetz-Dekoration wie maritime Folklore. Auch den Rettungskreuzer, der in Bremen am Sitz der Gesellschaft an der Weser aufgebockt ist, könnte man mit Museumsschiff-Romantik verwechseln.

Dabei ist die Geschichte der Seenotretter auch eine vom Einzug der Aufklärung, von Humanismus und der angeblich ersten deutschen Bürgerinitiative. Heute betreibt die DGzRS mit der Seenotleitung in Bremen das deutsche „Maritime Rescue Co-ordination Centre“ und übernimmt damit als weltweit einzige nicht-staatliche Institution die hoheitliche Aufgabe, für die weltweite Schifffahrt der nationale Ansprechpartner zu sein – immer noch ausschließlich aus Spenden finanziert. „Das wahrt unsere Unabhängigkeit“, erklärt DGzRS-Sprecher Christian Stipeldey.

Im Jahr 1860, fünf Jahre vor der Gründung der DGzRS, initiierte unter anderem der Vegesacker Navigationslehrer Adolph Bermpohl die Gründung eines Seenotrettungswerkes auf privater Basis. Ausschlaggebend waren zwei Schiffunglücke, 1954 vor Spiekerooge und 1860 vor Borkum, die nicht nur die Inselbevölkerung, sondern auch Badegäste vom Strand aus mitbekamen, die nicht verstanden, warum nichts getan werden konnte.

Das Motto, dass sich, wer zur See fahre, in Gottes Hand begebe, wurde abgelöst vom aufklärerischen Gedanken, dass Menschen selbst das Schicksal mitbestimmen könnten. Marleen von Bargen, wissenschaftliche Kuratorin am Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven, erklärt: „Die Gründung fällt in eine Zeit der bürgerlichen Emanzipationsbewegung.“ Auch die christlich-ethische Idee der Nächstenliebe, habe eine Rolle gespielt, sowie der Wohlfahrts-Gedanke.

Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ist zuständig für den Such- und Rettungsdienst in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee.

Bis heute ist sie ausschließlich durch Spenden finanziert.

Sitz der DGzRS ist Bremen.

Rund 60 Seenotrettungskreuzer und -boote sind auf 54 Stationen zwischen Borkum und Usedom im Einsatz.

Seit Gründung der DGzRS 1865 haben ihre Besatzungen mehr als 84.000 Menschen gerettet.

Während der Flüchtlingskrise beteiligte sich die DGzRS 2015 an der Ausbildung griechischer Seenotretter.

Einen Einsatz im Rahmen von Frontex im Mittelmeer lehnte die DGzRS ab.

Auf Helgoland erinnern die Seenotretter heute nun an ein Unglück, das sie vor 50 Jahren selbst betraf: Am 23. Februar 1967 eilte der Seenotrettungskreuzer mit eben dem Namen des Gründers, die Adolph Bermpohl, drei Fischern zur Hilfe, die in einem Orkan vor Helgoland in Seenot geraten waren. Dabei muss die Bermpohl wohl wenig später selbst von einer fürchterlichen Grundsee überollt worden sein – die drei Fischer und vier Seenotretter kamen ums Leben. Bei der heutigen Gedenkveranstaltung erinnern die Seenotretter an alle 45 Rettungsmänner, die in den 152 Jahren des Bestehens der DGzRS im Einsatz auf See geblieben sind.

DGzRS-Sprecher Christian Stipeldey erklärt die Bedeutung des Unglücks: „Es zeigt, dass es auch in modernen Zeiten Grenzen gibt für den Menschen und die Natur im Zweifel die stärkere Kraft ist.“ Das sei auch heute noch jeder Besatzung bewusst, die zu einem Einsatz herausfährt: „Nicht mit Angst, aber mit Respekt.“