Kein neuer Schmeling

Der Rottweiler Luan Krasniqi wehrt sich in einem großen WM-Kampf gegen den amerikanischen Titelverteidiger Lamon Brewster nach Kräften, geht in der neunten Runde aber dennoch k. o.

AUS HAMBURG MARTIN KRAUSS

Don King hat sich dazu entschieden, so etwas wie einen Kindergeburtstag zu feiern. „God bless Germany. God bless Germany“, kreischt der amerikanische Boxpromoter immer wieder. Und ehe er es vergisst: „God bless America“. Der Grund für den infantil anmutenden Anfall des Boxpromoters sitzt neben ihm. Lamon Brewster, 32, hat in der Nacht auf Donnerstag in der Hamburg Color-Line-Arena gerade erfolgreich seinen WM-Titel der WBO im Schwergewichtsboxen gegen Luan Krasniqi aus dem schwäbischen Rottweil durch technischen K.o. in der neunten Runde verteidigt.

Daher schwenkt der Gute-Laune-Onkel aus Cleveland, Ohio, deutsche und amerikanische Papierfähnchen und ruft immer wieder „Deutschland, Deutschland“ oder „My Bruder, my Bruder“. Doch gerade Kings sich leicht ins Fistelige überschlagende Stimme passt nicht zu dem Ereignis, das Krasniqi und Brewster in dieser Nacht geboten hatten. Der 32-jährige Brewster und der 34-jährige Krasniqi haben sich in dieser Kampfnacht, die aus Anlass des 100. Geburtstags von Max Schmeling ungewöhnlicherweise auf einen Mittwoch gelegt wurde, einen dieser Kämpfe geliefert, die alle der beinahe 13.000 Zuschauer stolz darauf nach Hause gehen ließ, dass sie so etwas live erleben durften. Brewster, der als K.o.- Schläger gilt und dessen Brustkorb und Oberarme diesen Ruf eindrücklich verstärken, ging mit hohem Tempo in den Kampf. Aber schon früh zeigte sich, wie gut Krasniqi vorbereitet war: Er konterte, wie man es von dem Deutschen noch nie gesehen hatte. Und dass er den gerne zum Sprungangriff neigenden Amerikaner mit seiner linken Führhand auf Distanz halten konnte, war auch nicht zu erwarten gewesen.

Ende der vierten Runde zeigte sich, wie viel Konzentration dieser Kampf den Boxern abverlangte: Krasniqi wurde unaufmerksam, drehte sich kurz fluchend und schimpfend ab, ohne zu bemerken, dass der Kampf gar nicht unterbrochen war: Prompt fing er sich einen Haken. „Ich habe mich geärgert, weil er tief geschlagen hat“, sagt er nachher, „ich bin das nicht gewöhnt, aber ich habe mich im Kampf ganz gut daran gewöhnt.“

Krasniqi, auf den sein Trainer Torsten Schmitz in der Pause intensiv einsprach, kam wieder gut in den Kampf zurück. Die Entscheidung bahnte sich in der achten Runde an. Krasniqi war im Vorwärtsgang, aber er fing sich eine Schlagkombination von Brewster. Drei harte Linke gingen auf Kopf und Körper nieder. Krasniqi ging zu Boden und blieb erst mal benommen dort liegen, ehe der Ringrichter aus Puerto Rico mit dem Zählen anfing. Nur der Gong rettete in diesem Moment den angeschlagenen Krasniqi.

Später ist zu erfahren, dass Krasniqi am Ende dieser achten Runde noch bei allen drei Kampfrichtern vorne lag, bei einem sogar um fünf Punkte. „Wir haben ihn wieder frisch gemacht“, sagt sein Trainer hernach. Und die neunte Runde begann, als habe die Schmitz’sche Frischzellenkur halbwegs gewirkt: Beide Boxer agierten zwar müde, aber Krasniqi war von dem Niederschlag nichts mehr anzumerken. Der Einzige, der nicht ganz daran glaubte, war Torsten Schmitz, der mit gezücktem Handtuch, bereit, es jederzeit zu werfen, am Ring stand. Aber immer wenn Brewster, der der erkennbar bessere Puncher war, mit einem Haken durchkam, konnte sich Krasniqi rauswinden und eigene Schlagserien anbringen. Es war Krasniqis eiserner Wille, auf keinen Fall zu verlieren, und seine gute Boxtechnik, die ihn nicht k.o. gehen ließen. Kurz vor Ende dieser entscheidenden neunten Runde war Krasniqi wieder im Vorwärtsgang – und genau da fing er sich eine harte Rechte. Die ließ ihn an den Seilen in die Knie gehen, beinahe fiel er aus dem Ring. „Ich habe den K.o. nicht richtig realisiert“, sagt Krasniqi später. „Ich wusste nicht, dass ich so gefallen bin.“

Davon, dass er selbst aufgegeben habe, will Krasniqi nichts wissen. „Der Ringrichter hat den Kampf beendet, ich war es nicht.“ Egal, nach 2:48 Minuten der neunten Runde ist dieser erneute Versuch eines deutschen Schwergewichtsboxers, nach Max Schmeling (1930) wieder Weltmeister zu werden, gescheitert. Brewsters Clan eroberte jubelnd den Ring, was in den oliv gescheckten Militärklamotten wie eine schnelle Eingreiftruppe aussah, deren Zweck sein sollte, den Germans ein bisschen Respekt einzuflößen.

Krasniqis Analyse hingegen fiel schwach aus. „Ich dachte, ich hätte das Ding gehabt, und habe eine Sekunde nicht aufgepasst“, sagt er noch im Ring, und auch anderthalb Stunden später blieb er bei dieser Sicht des Kampfes. „Ich wollte so sehr den Titel nach Deutschland zurückholen“, fügte er hinzu, als ob der WBO-Titel jemals bei einem deutschen Boxer gewesen wäre. Und dass mit Max Schmeling schon einmal ein Deutscher Schwergewichtsweltmeister war, liegt über 70 Jahre zurück.