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Immer gut gelaunt

GAYIKONEN Touko Laaksonen alias Tom Of Finland gestaltete mit Hingabe männliche Brustmuskelnund erigierte Monsterpenisse – zwei Galerien in Berlin tragen zu einem Blick auf den Künstler bei

Tom of Finland (Touko Laaksonen): Untitled, 1987, graphite on paper, 29,8 × 41,9 cm Foto: © Tom of Finland Foundation

von Andreas Hartmann

Gerade erst wurde ein Biopic über ihn gedreht, DJ Hell hat zu seiner neuen Single ein Video mit seinen animierten Zeichnungen fertigen lassen und in Berlin widmen sich nun nicht nur eine, sondern gleich zwei Galerien seinem Werk und Leben. Touko Laaksonen, weit besser bekannt als Tom Of Finland, dessen hypervirile Sadomaso- und Uniformschwule es längst in die Popkultur geschafft und Filme wie „Cruising“ mit Al Pacino genauso inspiriert haben wie so manchen Comic von Ralf König, wird gerade neu entdeckt.

Beide Ausstellungen in Berlin bemühen sich dabei darum, nicht nur das Werk der Schwulenikone zu würdigen, sondern auch den Menschen, den Künstler: „Touko Laaksonen – The Man Behind Tom of Finland“ wollen sie präsentieren. Für die Ausstellungen im Salon Dahlmann und der Galerie Judin wurden somit mithilfe der Tom of Finland Foundation jede Menge persönliche Briefe und Skizzen zusammengetragen und im gezeigten Dokumentarfilm „Daddy And The Muscle Academy“ aus dem Jahr 1991 kommt Touko Laaksonen, der kurz nach der Premiere des Films in Helsinki starb, ausführlich zu Wort.

Es kommt wohl nicht von ungefähr, gerade jetzt einen neuen Zugang zu Tom of Finland zu suchen. So ikonisch die mit perfektem Strich, teilweise nah am Fotorealismus gezeichneten Muskelmänner mit Schnauzern, grotesk verbeulten Hosen und gigantischen Schwänzen längst sind, so sehr wirken sie heute in Zeiten von Queerness und Dekonstruktion von Männlichkeit auch ein wenig aus der Zeit gefallen.

Ewig sexhungrige Bodybuilder, immer gut gelaunt, weil der nächste Fick bestimmt nicht lange auf sich warten lässt und deren primäre Geschlechtsmerkmale alle Grenzen der Anatomie zumindest ausreizen – es ist schon ein ziemlich einseitiges Bild, das Tom of Finland von schwuler Sexualität zeichnete.

Persönliche Vorlieben

Doch man bekommt in den Ausstellungen durchaus den Eindruck, dass Touko Laaksonen das schon damals, als er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg damit begann, nach Vorlagen in amerikanischen Bodybuildingmagazinen seine schwulen Übermenschen zu entwerfen, selbst klar war. Seine lustigen Matrosen, lässigen Polizisten, beschnauzbarten Biker und andere Supermachos sind Produkte seiner Fantasie, das sagte er selbst. Er formte sich diese überzeichneten Sexmonster entsprechend seinen persönlichen Vorlieben, Träumen und Fetischen. Dass andere physiognomisch etwas anders gebaute Männer begehren könnten, das stellte er damit ja nicht in Abrede. So wie Robert Crumbs Frauen immer riesige Hintern haben, weil das der Fetisch des Zeichners ist, gestaltete Touko Laaksonen eben mit Hingabe männliche Brustmuskeln und erigierte Monsterpenisse.

Es sind tatsächlich viele Kleinigkeiten und Details, die sich in der zusammengenommen recht umfangreichen Tom-of-Finland-Schau entdecken lassen und die einen komplexeren Blick auf die pornografischen Pin-Ups und Erotikzeichnungen ermöglichen. Da ist etwa der augenzwinkernde Humor von Touko Laaksonen, beispielsweise in dem skizzenhaften Straßenbahn-Szenario, in dem der Fahrkartenkontrolleur ein Pärchen beim Geschlechtsverkehr erwischt – und einfach mitmacht.

Oder man erkennt, wie verletzlich diese potenten Überwesen manchmal auch wirken können, wie lang ihre Wimpern sind. Und wie sehnsuchtsvoll, gar zärtlich ihre Blicke sein können.

Touko Laaksonen – The Man Behind Tom of Finland – Galerie Judin. Dienstag bis Samstag, bis 15. April

Und: Salon Dahlmann, Donnerstag bis Samstag, bis 6. Mai

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