Kunst In Dresden tauschen sich Kritiker und Befürworter der Aleppo-Busse in der Innenstadt aus: Busgespräche
aus Dresden Michael Bartsch
Wir wollen niemanden umerziehen, sondern miteinander ins Gespräch kommen!“ Die einleitenden Worte von Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) signalisierten: Wir wissen um die Vehemenz, mit der über das momentan populärste Kunstwerk in der Dresdner Innenstadt gestritten wird: die Aleppo-Busse vor der Frauenkirche. Die Stadt versuchte am Donnerstagabend den Unmut zu kanalisieren und lud in das nahe gelegene Verkehrsmuseum ein. Knapp zehn Tage nach Aufstellung der an ein syrisches Vorbild erinnernden Schrottbusse gelang ein Abend des kulturvollen Streits mit etwa 150 Gästen.
Etwa die Hälfte von ihnen applaudierte den Kritikern der Kunstwerke. Und diese muteten den nachdenklicheren Befürwortern einiges zu. Von einer „grauenhaften Gegenüberstellung“ der „schrecklichen“ Busse vor der „wunderbaren“ Frauenkirche war die Rede. Anderswo sollten die Busse stehen, vor den Werkstoren von Kraus-Maffei etwa oder vor den Kriegstreibern im Berliner Verteidigungsministerium, aber nicht im schönen Dresden, das am Krieg in Syrien ohnehin nichts ändern könne. „Scheinheilig und heuchlerisch“ wurden die Installationen deshalb genannt. Und eine „Schande für Dresden“ sind die senkrecht stehenden Busse, die in Aleppo Zivilisten schützen sollten, ohnehin.
Die Dresdner Larmoyanz hat mehrere Ursachen. Am ehesten nachzuvollziehen ist das Trauma der schwer verwundeten Stadt. Was in der am 13. Februar 1945 zerstörten Stadt wieder aufgebaut wurde, darf auf keinen Fall optisch beeinträchtigt werden. Solche Mahnmale gefährdeten den Frieden in der Stadt, behauptete ein älterer Herr.
Bedenklicher ist, dass in Dresden unbewusst die Goebbels-Propaganda von einem einzigartigen Kriegsverbrechen an einer einzigartigen Stadt fortwirkt. Damit einher geht die Leugnung jeglichen Kontextes. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), der die Bombardierung Dresdens mit dem Kriegsschicksal anderer Städte in Zusammenhang bringt, „spuckt den Toten ins Grab“, behauptete ein Mann aus dem Pegida-Block im Raum.
Den stärksten Beifall erhielt aber ein 79-jähriger Urdresdner und Zeitzeuge der Bombennacht, der genau diese vergleichende Mahnung für eine „großartige Idee“ hält.
Neben zahlreichen Empathiebekundungen spielte auch die Frage nach dem Kunstcharakter der Monumente eine Rolle. Marion Ackermann, Generaldirektorin der Dresdner Kunstsammlungen, lobte den lakonischen, reduzierten und verfremdenden Charakter der Installationen.
Die Gesamtkosten von 57.000 Euro hätten sich durch touristischen Zuspruch und vermehrten Handelsumsatz schon nach wenigen Tagen mehr als rentiert, erklärte zur Überraschung vieler Matthias Hundt, Prokurist der Dresden-Information. Das zeigt: Dresden wird endlich wieder anders als nur als Pegida-Hauptstadt wahrgenommen.
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