Staralbum: Der Kliniker
Freitagnachmittag, Regen, Potsdamer Platz. Es ist die vorletzte Pressekonferenz, bevor die Jury der 67. Berlinale die diesjährigen Preisträger bekannt gibt. Die Sitzreihen: halb leer. Vereinzelt sitzen Journalist*innen mit Laptop oder Quinoasalat herum. Selbst die ansonsten so übermotivierten Fotografen aus der ersten Reihe scheinen größtenteils schon abgereist. Vielleicht, weil die üppigen Fotohonorare mit Catherine Deneuve oder Robert Pattinson bereits passé sind. Vielleicht aber auch, weil die Berlinale-Woche einfach intensiv und ermüdend war.
Călin Peter Netzer gibt sich gelassen. Warum auch nicht? Der 42-jährige Regisseur war nicht nur schon mal bei der Berlinale, um einen Film im Wettbewerb zu zeigen. Er räumte direkt den Goldenen Bären ab, das war 2013 mit dem Film „Mutter und Sohn“. Nun wurde er erneut eingeladen, mit „Ana, mon amour“. Der Film erzählt von Koabhängigkeit innerhalb einer Liebesbeziehung. Er dreht sich um Sex, Therapie, Religion – ziemlich harter Stoff.
„Man gewöhnt sich an Traumata aus der Kindheit, und man will sie wieder erleben, ohne es zu wissen“, sagt Netzer über das neurotische Paar in seinem Film, auf Englisch. Der Regisseur spricht auch perfektes Deutsch, im Alter von acht Jahren war er mit seiner Familie von Rumänien nach Deutschland ausgewandert. Nach dem Abitur kehrte er zurück nach Bukarest, um Film zu studieren. Das Drehbuch seines neuen Films basiert auf dem Roman „Luminița, mon amour“ von Cezar Paul-Bădescu. Allerdings habe sich der Film schließlich sehr davon entfernt, weil Paul-Bădescu eher das Gesellschaftliche im Fokus gehabt habe, der Regisseur dagegen das Psychoanalytische.
„Ich habe die beiden Hauptdarsteller Mircea Postelnicu und Diana Cavallioti in die Therapie geschickt, damit sie wussten, wie es ist“, erzählt Netzer. „Das macht sich in vielen Szenen bemerkbar, finde ich.“ Auf die Frage, ob er sich von Bergmans legendärem Film „Szenen einer Ehe“ habe insprieren lassen, sagt er: „Nein, Bergman hat sehr viel Einfluss auf seine Geschichte. Ich hingegen habe einen klinischen Film gedreht. Ich wollte keinen Schatten auf dem Paar sehen. Auch nicht meinen eigenen.“ Herausgekommen ist eine packende und universelle Liebesgeschichte. Bleibt nur die Frage, ob die Liebe eine Chance hat – auf Filmfestivalpreise. Antworten gibt es am Samstagabend. Fatma Aydemir
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen