LeserInnenbriefe
:

taz.die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin

briefe@taz.de | www.taz.de/zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Dem Gewissen verpflichtet

betr.: „Doktor Anti-Choice“, taz vom 10. 2. 17

Ich schätze eure Zeitung für den guten, ausgewogenen Journalismus (den ich sonst kaum noch irgendwo in der Medienlandschaft finde). Dass ihr euch allerdings hier an einer Hetze gegen den Arzt Dr. Thomas Börner beteiligt, der seinem christlich geprägten Gewissen verpflichtet ist und seine Haltung auch mutig nach draußen vertritt und sein Recht wahrnimmt, sich nicht an Tötungen im Mutterleib zu beteiligen, finde ich sehr bedauerlich!

Die Klinikleitung wusste bei der Einstellung Börners über seine Haltung Bescheid. Börner hat dies von Anfang an klar kommuniziert. Die Capio-Klinik ist aufgrund des medialen und politischen Drucks „eingeknickt“. Mir macht das ehrlich gesagt Angst, wenn in einer Gesellschaft Menschen, die sich ihrem Gewissen verpflichtet fühlen, derart behandelt werden.

Volker P. Einhorn, Wriedel

Bis nur noch die Grammatik stimmt

betr.: „Wir brauchen einen neuen Begriff … “, taz v. 11./12. 2. 17

Mithu Sanyal und Marie Albrecht schlagen den Begriff „Erlebende“ für Menschen vor, die sexualisierte Gewalt erlebt haben. Das ist zu abstrakt, zu entleert, „von höchstmöglicher Wertungsfreiheit“, wie die Autorinnen selbst meinen. Der Begriff führt zu weit weg von der besonderen Rolle der Beteiligten. „Beteiligte“ ist übrigens auch so ein Begriff, den man wählen könnte.

Auf einem großen Schild im Kriminalgericht Moabit steht: „Terminsteilnehmer bitte hier melden“. Das schließt vom Angeklagten über die Zeugen, die Geschädigten, Sachverständigen alle ein. Spöttisch bezeichnen manche Beamtinnen schon mal einen Gefangenen als „Justizvollzugsteilnehmer“. Man kann solange abstrahieren, bis nur noch die Grammatik stimmt.

Wahrscheinlich erlebt jede Frau, Mann oder Kind sexualisierte Gewalt anders und kommt von heil bis für das ganze Leben verletzt aus dem Geschehenen hervor. Sprache differenziert und typisiert. Typisch ist bei sexualisierter Gewalt der Missbrauch eines Menschen durch einen anderen. Ich schlage daher vor, von der oder dem „Missbrauchten“ zu sprechen, eventuell „sexuell“ hinzuzufügen und im Übrigen zu hoffen, dass unser Mitgefühl hilft, Verletzungen zu heilen. Udo Grönheit, Berlin

Freigabe von Fracking dank Ceta

betr.: „Trojanisches Pferd mit Sirup“, taz vom 14. 2. 17

Es enttäuscht mich sehr, dass durch Ceta der Preis für Ahorn­sirup kaum sinken wird. Was mich wirklich beunruhigt – aber leider nicht angesprochen wurde – ist die Tatsache, dass kanadische Konzerne in Deutschland fracken wollen und Ceta dies möglich macht. 75 Prozent aller Bergbauunternehmen wählen Kanada als Firmensitz. REGINA RENSINK, Stadum

Pfeift auf die neue Spießigkeit!

betr.: „In Kälte und Regen verbannt“, taz vom 11. 2. 17

Mit Vergnügen habe ich euren Artikel über den Raucherraum im neuen taz-Gebäude gelesen. Allerdings bin ich auch etwas irritiert: Ausgerechnet in einem linken Redaktionsbau nicht einmal ein Raucherzimmer zu haben, ist schon ganz schön spießig.

Als leidenschaftlicher Neoliberaler bin ich ein großer Fan eurer Zeitung, weil ihr in so vieler Hinsicht das Erbe des Punk bewahrt. Nonkonformismus, ein bisschen Anarchie und im Grunde ein großes und weites Herz. Wie arm wäre unsere Gesellschaft ohne Punk? Also, Leute, pfeift auf die neue Spießigkeit der Gesundheitspropheten und den modernen Biedermeier der Verbotsapostel und ermöglicht einfach Raucherräume oder -büros. Wer sollte denn für den Punk kämpfen, wenn selbst ihr kapituliert? Clemens Schneider,Berlin

Bitte etwas differenzieren

betr.: „Machen Liberale die Rechten stark?“, taz vom 14. 2. 17

Die Rechten werden nicht durch die Liberalen stark, weil es die Liberalen nicht gibt (genauso wie es nicht den Islam gibt). Der Liberalismus ist eine politische Richtung mit unterschiedlichen Auslegungen (zum Beispiel linksliberal oder rechtsliberal). Man sollte da schon differenzieren, denn durch Linksliberale werden die Rechten wohl kaum stark.Julia Engels,Elsdorf

Ich lese Zeitung auf Papier

betr.: „Roboter gegen Verdruss und Fake News“, taz vom 9. 2. 17

Ich bin 19. Ich lese Zeitung. Auf Papier. Und ich fühle mich (im Namen meiner Generation) von der ARD und dem ZDF bevormundet. Der Chatbot „Novi“ soll sich ebender Schnelllebigkeit anpassen, von der ich mir gerne mal eine Pause gönne, gerade bei Nachrichten. Denn schneller bedeutet auch oberflächlicher.

Es ist eine Aufgabe gerade der Öffentlich-Rechtlichen, dem erhöhten Tempo entgegenzuwirken. „Novi“ bedeutet hingegen, vor der Schnelllebigkeit zu resignieren und sie als eine Art „Naturzustand“ anzusehen, als wenn die Jugend nicht anders könnte.

Dass diese Idee gerade von der ARD und dem ZDF kommt, ist bemerkenswert. Denn diese Sender eignen sich immer mehr Privatsenderlogik an: Fußball, Zoosendungen und Serien sind wichtiger als Nachrichten. Das Ergebnis heißt dann zum Beispiel „heute Xpress“.

Natürlich ist es einfacher, sich dem Tempo anzupassen, als ihm entgegenzuwirken. Aber Jugendliche diesem Tempo zu überlassen, kann gesellschaftlich nur schaden. Helft uns, wieder aufmerksamer und geduldiger zu werden. Tim Schubert,Oelde