Berlinmusik
: Feuchtnasen im Flow

„Die Wilde Jagd“, das klingt ein bisschen nach einem Spiel von Ravensburger, empfohlenes Alter 2 bis 99 – aber nein, es ist alles ganz anders. Obwohl, verspielt gehen der Berliner Musiker Sebastian Lee Philipp und sein Düsseldorfer Kollege Ralf Beck, die sich zusammen Die Wilde Jagd nennen, auch zur Sache – besonders gerne spielen sie mit Synthieklängen und Clicks’n’Cuts-Sounds. Mit ihrer neuen EP „Geisterfahrer“ knüpft das Duo an das Krautrock-Erbe der Siebziger an, die drei Stücke lassen einen nicht nur einmal an Bands wie Neu!, Kraftwerk und Liaisons Dange­reuses denken. Der Düsseldorfer Einfluss ist also nicht zu überhören; Die Wilde Jagd bleiben dabei nicht bei einer Kopie dieser Klänge stehen, sondern leihen sich Struktur und Songaufbau bei den Krauties und schaffen es, die Klangflächen und oft fein ziselierten Beats sehr gegenwärtig klingen zu lassen. Es entsteht ein toller Flow während der drei Stücke – ohne dass irgendetwas bemüht wirkte. Gut 20 Minuten fließt es, und man schwimmt als Hörer gerne mit.

Damit zu der Familie der Feuchtnasenaffen: Lemur nennt sich ein Berliner Rapper aus dem Kreis der meist geschmackssicheren Käptn-Peng-Clique, der nun mit „Die Rache der Tiere“ sein zweites volles Album veröffentlicht. Lemur, früher Teil des Duos Herr von Grau, weiß dabei textlich und raptechnisch voll zu überzeugen. Wenn er im Song „Sterben“ etwa vom „Godfather des Galgenhumors“ rappt, so könnte er damit auch auf seine eigene Kunst anspielen. Denn wenn er humorvoll mit der apokalyptisch anmutenden Gegenwart umgeht, ist Lemur am stärksten. Dann kann man fröhlich summen: „Wir werden alle sterben / wir werden alle sterben / Wir werden alle stigge-di-sterben“ und den Untergang tanzen. Diese Leichtigkeit passt gut zu einem von BoomBap und 90er-HipHop beeinflussten Sound. Zeitweise wird es textlich rougher und expliziter (wie im Auftaktsong „Geld“ oder in den Kollaborationen „reinsteigercham­pionsleague“ und „Dazugehirn“) – dann wünschte man sich, die Musik ginge auch etwas mehr nach vorne. Musikalisch wäre bei „Die Rache der Tiere“ sowieso mehr drin gewesen. Durch die meisten der 14 Tracks zieht sich ein verschleppter Beat, sie knallen manchmal zu wenig. Was Texte und Gesang angeht, trifft Lemur jedoch voll ins Schwarze. Jens Uthoff

Die Wilde Jagd: „Geisterfahrer“ (Correspondant), live: heute, 21 Uhr, Kantine Am Berghain, mit Guido Möbius

Lemur: „Die Rache der Tiere“ (Kreismusik/Soulfood), live:26. 2., Bi Nuu