KUNST

KunstBeate Schederschaut sich in Berlins Galerien um

In Lifestyle-Magazinen und auf Social-Media-Kanälen hat der Teppich zuletzt eine erstaunliche Renaissance erfahren. Endlos wurde darüber diskutiert, welcher denn nun der schönste sei: Kelim, Ben-Ourain, Boucherouite oder Dhurrie. Doch in Teppichen nur ein dekoratives Objekt zu sehen wird ihnen natürlich nicht gerecht. In der ifa-Galerie versucht die Ausstellung „Über den Teppich“ Wechselwirkungen interkultureller wie interdisziplinärer Art, die sich in Teppichen manifestieren, aufzudröseln. Zum Beispiel in denen von Sheila Hicks – Gebetsteppiche aus den 1970ern, entstanden während Reisen nach Marokko, wo Hicks mit lokalen Handwerkern arbeitete und deren Techniken mit ihren Eindrücken zur arabischen Architektur verknüpfte; in avantgardistischen Webarbeiten von Anni Albers oder Saâdane Afifs Geometriestunden-Berberteppich (bis 12. 3., Di.–So. 14–18 Uhr, Linienstr. 139/140).

Mit solch kunstfertig Gewebtem und Geknüpftem haben Camilla Steinums textile Arbeiten bei Soy Capitán wenig gemein. Vielmehr gleichen sie Badezimmervorlegern, die schon lange Zeit keine Waschmaschine mehr von innen gesehen haben. Dar­auf nackte Körper wie zum Schlafen zusammengerollt. Bäuche, Hintern, Beine, Füße lassen sich auf dem auf hohen Stahltischen gehängten und gestapelten Stoff erkennen. An den Wänden aus Bronze gegossene Teppichklopfer, längst vergessene, verfremdete Alltagsobjekte. Hier erscheinen sie fast wie mahnende Kreuze. Oder wie Fetische. Soll man mit ihnen das Textil bearbeiten? (bis 8. 4., Mi.–Sa. 12–18 Uhr, Prinzessinnenstr. 29).

Nicht ganz freiwillig auf dem Teppich bleiben müssen diejenigen, mit denen sich Laetitia Gendre in „This is not Versailles“ bei Thomas Fischer beschäftigt. Ihr Thema: die elektronische Fußfessel, deren Geschichte sich interessanterweise auf einen Spiderman-Comic zurückverfolgen lässt und im Zeitalter der Überwachung noch ganz andere Blüten treibt. Gendre hat Interviews mit Betroffenen geführt. Die Geschichten kann man sich anhören. Ein wenig zu gut sind sie, um tatsächlich echt zu sein. Einer erzählt, wie er sich mit Ikea-Werkzeug befreit hat, wohlwissend, dass sein Ausbruch nicht unentdeckt bleiben würde, viele vor allem von Einsamkeit und sozialer Isolation. Dazu läuft ein Loop aus collagierten Meditationsvideos. Zeichnungen und Papierkulissen bilden assoziative Klammern. Eine der Kulissen zeigt das Foto einer Überwachungszentrale der Polizei. Auf gewisse Weise ebenso ein Gefängnis wie die (Un-)Freiheit der Fußfesselträger: Auch die Beamten müssen drinnen bleiben und auf Geräte starren (bis 1. 4., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Potsdamer Str. 77-87).