Gericht will Holocaust-Überlebende loswerden

JustizNeubrandenburger Kammer in Auschwitz-Verfahren widerruft Zulassung von Nebenklägern

BERLIN taz | Im Verfahren gegen den ehemaligen Auschwitz-Sanitäter Hubert Zafke versucht sich das Landgericht Neubrandenburg zweier Nebenkläger zu entledigen. Die Strafkammer widerrief die Nebenklagezulassung für die Auschwitz-Überlebenden Walter und William Plywaski, wie das Gericht am Dienstag mitteilte. Sie begründet dies damit, dass die in Auschwitz ermordete Mutter der Nebenkläger nicht mit einem der 14 Deportationszüge in Auschwitz angekommen sei, die in der Anklage aufgeführt sind, sondern vorher.

Es ist dies bereits der dritte Versuch der Kammer, die Nebenkläger mit jeweils ähnlicher Argumentation loszuwerden. Zweimal war das Gericht 2015 und 2016 damit gescheitert. In beiden Fällen entschied das Oberlandesgericht Rostock, dass Plywaski ein Recht auf seine Nebenklage hat. Der Anwalt von Walter Plywaski legte am Dienstag Beschwerde gegen den Beschluss ein. Es ist erwartbar, dass dieser stattge­geben wird.

Zugleich erfuhr die taz, dass das Rostocker Gericht am Montag einen Beschluss aus Neubrandenburg aufgehoben hat, dem Rechtsanwalt von Walter Plywaski einen Vorschuss für den Besuch seines in den USA lebenden Mandanten zu verweigern.

In dem Neubrandenburger Verfahren wird Hubert Zafke (96) Beihilfe zum Mord, begangen im Sommer 1944 in mindestens 3.681 Fällen in Auschwitz, vorgeworfen. Er habe dazu beigetragen, dass die SS-Leute den Massenmord durchführen konnten.

Der Versuch, die Nebenkläger loszuwerden, erscheint als Teil eines juristischen Kleinkriegs zwischen dem Gericht einerseits und Staatsanwaltschaft und Nebenklägern andererseits. Letztere hatten den Richter erfolglos wegen Befangenheit abberufen lassen wollen, weil dieser darauf hinarbeite, den Angeklagten nicht zu verurteilen. Im Gegenzug ließ das Gericht das Verfahren wegen versäumter Fristen platzen. Es muss nun von vorne beginnen. Wann das geschieht, bleibt unklar. Derzeit wird die Gesundheit des Angeklagten durch zwei Beauftragte begutachtet. Klaus Hillenbrand