AfD

Spagat zwischen Mitte und rechtem Rand: Die Partei bereitet sich auf ihre Weise auf das Wahljahr 2017 vor

Spalten oder häuten

Rechtspopulisten Die heiße Phase des Machtkampfs in der AfD beginnt: Der Bundesvorstand will den Rechtsaußen Höcke aus der Partei werfen. Ob das Ausschlussverfahren Erfolg hat, ist aber völlig ungewiss

AfD-Politiker Höcke findet die Kritik an seiner Dresdener Rede und das Ausschlussverfahren „machtpolitisch motiviert“ Foto: Hannibal Hanschke/reuters

von Sabine am Orde

BERLIN taz | Der rechte Rand der AfD reagierte prompt. „Wir stehen zu Björn Höcke!“, postete die Parteigruppierung „Der Flügel“ noch am Montagvormittag auf ihrer Facebook-Seite. Und die Kommentare darunter überschlugen sich. „Ein schlimmer Tag für die AfD und für Deutschland.“ – „Ohne die Positionen von Herrn Höcke ist die AfD überflüssig.“ – „Jetzt keine Alternative mehr.“ So kritisierten bekennende Höcke-Fans den Versuch der Parteispitze, ihn loszuwerden.

Zuvor hatte der AfD-Bundesvorstand – in einer Telefonkonferenz mit Zweidrittelmehrheit – ein Parteiausschlussverfahren gegen ihren Thüringer Landes- und Fraktionschef Höcke auf den Weg gebracht. „Die Maßnahme erfolgte nach eingehender juristischer Prüfung und politischer Bewertung der Rede Björn Höckes vom 17. Januar 2017 in Dresden“, teilte der Vorstand mit. Für den rechten Flügel der Partei ist das eine Kampfansage.

Bei dem Auftritt in Dresden hatte Höcke unter anderem eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ ge­fordert und auf den „vollständigen Sieg“ der AfD gehofft. Was Höcke sage, sei nicht mehr von offen rechtsextremen Parteien wie der NPD zu unterschieden, kritisierten ­daraufhin Ex­­perten wie der Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler. In die Nähe der NPD aber wollen viele AfDler auf keinen Fall gerückt werden – denn das verscheucht WählerInnen aus der Mitte. In dem Spagat zwischen ebendieser Mitte und dem rechten Rand aber liegt bislang das Erfolgsrezept der Rechtspopulisten. Kurz nach der Rede war im Vorstand für ein Parteiausschlussverfahren zunächst die notwendige Mehrheit nicht zustande gekommen. Am Montag sah das nun anders aus: Neun Mitglieder stimmten für ein Parteiausschlussverfahren, dar­unter Parteichefin Frauke Petry. Für sie wäre der Ausschluss Höckes auch eine Möglichkeit, einen mächtigen Gegenspieler loszuwerden.

Ihr Ko-Vorsitzender Jörg Meuthen, Vize-Chef Alexander Gauland und André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt, die sich schon häufiger mit Höcke gegen Petry verbündet hatten, votierten gegen das Verfahren. Die vierte Gegenstimme kam vom niedersächsischen Landeschef Paul Hampel.

„Das Verfahren ist juristisch völlig aussichtslos und wird scheitern“, sagte Gauland der taz. Höckes Rede sei nicht glücklich gewesen, aber auch nicht parteischädigend. „Sollte das Ausschlussverfahren aber erfolgreich sein, käme es zu einer neuen Spaltung der Partei.“

„Herr Höckes Rede ist jenseits von dem, was in die AfD gehört“, meint dagegen Dirk Driesang, Vorstandsmitglied aus Bayern. „Wenn wir uns davon nicht abgrenzen, geht die Tür zur bürgerlichen Mitte zu.“ Driesang will nicht von einer Spaltung sprechen, eine „Häutung“ aber hält er für notwendig.

Julian Flak aus Schleswig-Holstein, der den Antrag in den Vorstand eingebracht hat, weiß das aus eigener Erfahrung. Er sammelt derzeit in seinem Bundesland Unterschriften, damit die AfD an der Landtagswahl im Mai teilnehmen kann. „Nach der Rede war es deutlich schwieriger, Unterstützungsunterschriften zu bekommen.“ Dem Flügel, dessen Führungsfigur Höcke ist, wird etwa ein Fünftel der Parteimitglieder zugerechnet.

Das Parteiausschlussverfahren wird Monate dauern – Ausgang ungewiss. In erster Instanz muss sich das Landesschiedsgericht der AfD in Thüringen damit befassen. In seinem Landesverband genießt Höcke großen Rückhalt: Er wurde dort erst im Oktober mit 93 Prozent als Landeschef wiedergewählt.

Für den rechten Flügel der Partei ist das eine Kampfansage

Am Montag stellten sich Landesvorstand und Fraktion hinter ihren Chef. Sie warfen dem Bundesvorstand vor, Meinungen und Überzeugungen aus der Partei ausgrenzen zu wollen. „Damit gibt er in weiten Teilen den Gründungsanspruch auf, eine echte und basisdemokratische Alternative zu den Altparteien zu sein.“

Fast wortgleich war vor anderthalb Jahren Parteigründer Bernd Lucke kritisiert worden, der damals bereits versuchte, Höcke aus der Partei zu werfen. Am Ende verließ Lucke die AfD, die neue Spitze kassierte das Verfahren gegen den Thüringer.

Nach einer Entscheidung des Landesschiedsgerichts dürfte das Ausschlussverfahren in die nächste Instanz gehen, zum Bundesschiedsgericht der AfD. Das hatte zuletzt Entscheidungen des Bundesvorstands kassiert – darunter einen, den saarländischen Landesverband wegen rechtsextremer Kontakte aufzulösen.

Höcke selbst erklärte am Montag in Erfurt, er sehe dem Verfahren „gelassen entgegen“, es sei „machtpolitisch motiviert“: „Der Beschluss besitzt zweifellos Potenzial zur Spaltung“, so Höcke. Kampflos aufgeben werden er und seine Anhänger nicht. Der AfD stehen in diesem wichtigen Wahljahr turbulente Monate bevor.