Abschiebung über den Daumen

EXKLUSION Hamburg will primär Afghanen abschieben, die „keine Integrationserfolge“ zeigen. Doch viele bekommen keinen Deutschkurs – aus mangelnder Bleibeperspektive

Für Samstag rufen AktivistInnen zur Demo gegen Abschiebungen nach Afghanistan auf Foto: Daniel Reinhardt/dpa

von Katharina Schipkowski

Hamburg will sich bei Abschiebungen nach Afghanistan auf Straftäter und alleinstehende Männer „ohne Integrationserfolge“ konzentrieren und diese mit Priorität abschieben. Woran sich der Integrationserfolg misst, bleibt aber unklar. „Sie merken schnell, ob jemand bereit ist, sich zu integrieren, oder nicht“, erklärte der Sprecher der Ausländerbehörde Matthias Krumm. Ob jemand bereit sei, sich zu integrieren, hänge nicht an einzelnen Nachweisen, sagte er. Vielmehr beurteilten die MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde das nach Augenmaß.

Ein paar Anhaltspunkte, an denen die BehördenmitarbeiterInnen den Integrationswillen festmachen, gibt es aber. Krumm erklärte: Wenn jemand gar nicht oder nur ein Mal zum Sprachkurs erscheine, falsche Angaben über seine Identität mache oder seine Mitwirkungspflicht verletzte, indem er nicht aktiv an der Beschaffung seiner Dokumente mitarbeite, merke man schon: „Da ist kein Interesse da.“

FlüchtlingsaktivistInnen zufolge sieht die Praxis anders aus. Der Sprecher des Hazara-Kulturvereins, Jawid Dostan, sagte, er kenne viele Fälle, in denen AfghanInnen gar nicht erst einen Platz in einem Deutschkurs bekämen, weil sie laut der Behörde keine Bleibeperspektive hätten – dabei seien sie teilweise noch gar nicht vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu ihrer Geschichte befragt worden. Normalerweise kann das Bamf erst nach der Erstbefragung sagen, ob jemand eine Chance auf Aufenthalt hat oder nicht.

„Einerseits dürfen wir die Kurse nicht besuchen, andererseits sagt man uns: ‚Wenn ihr kein Deutsch lernt, müsst ihr zurück nach Afghanistan‘“, beschwerte sich Dostan. Die Behörde übe enormen psychischen Druck auf afghanische Geflüchtete aus, damit sie „freiwillig“ ausreisten.

Voraussetzung ist

eine Niederlassungserlaubnis: Sie besitzt, wer als Flüchtling anerkannt wurde oder deutsche Angehörige hat (derzeit 2.600 AfghanInnen in Hamburg).

eine Aufenthaltserlaubnis, zum Beispiel zu Ausbildungszwecken, aus familiären Gründen, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wird.

eine Aufenthaltsgestattung, weil das Asylverfahren noch läuft.

Noch immer ist es so, dass Hamburg in Sachen Abschiebungen nach Afghanistan im Unterschied zu anderen Bundesländern an einem scharfen Kurs festhält. Während Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) in der letzten Woche einen dreimonatigen Abschiebestopp ausrief, sehen auch Niedersachsen, Bremen, Rheinland-Pfalz und Berlin derzeit von Abschiebungen in das Kriegsland ab. Hamburg hingegen werde sich weiterhin an Abschiebungen beteiligen und damit die Vorgabe des Bundesinnenministeriums umsetzen, bestätigte Krumm.

In der AktivistInnenszene kursiert die Befürchtung, dass in ein bis zwei Wochen eine weitere bundesweite Sammelabschiebung anstehe. Für diesen Samstag haben die AktivistInnen einen Aktionstag ausgerufen: In Hamburg und 20 weiteren Städten sollen Demonstrationen und Mahnwachen stattfinden. Neben dem Hazara-Kulturverein ruft unter anderem das Hamburger Bündnis „Recht auf Stadt – Never mind the Papers“ sowie das Bündnis Hamburger Flüchtlingsinitiativen zur Demonstration auf. Gestartet wird um 14 Uhr an der Elbphilharmonie.