Keiner traut sich

Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Bildungsurlaub. Doch nicht alle Arbeitgeber freuen sich über Fortbildungswünsche ihrer Beschäftigten. Die Buchungszahlen in Hamburg sinken

von Kristina Allgöwer

Berufliche Weiterbildung soll Arbeitnehmern dazu verhelfen, ihre Qualifikation und Mobilität zu erhalten, zu verbessern oder zu erweitern. So steht es im Hamburgischen Bildungsurlaubsgesetz. Dass Weiterbildung nicht unbedingt bedeuten muss, sich in muffigen EDV-Räumen mit Excel-Tabellen vertraut zu machen, wissen die wenigsten. Jeder Arbeitnehmer, der wenigstens seit sechs Monaten im Anstellungsverhältnis steht, hat Anspruch auf Bildungsurlaub. Und das kann auch ein Spanischkurs am Strand von Mallorca sein.

Innerhalb von zwei Kalenderjahren können Arbeiter, Angestellte und Auszubildende zehn Tage Bildungsurlaub beanspruchen. Die Freistellung von der Arbeit soll sowohl die Teilnahme an anerkannten Veranstaltungen der politischen Bildung und der beruflichen Weiterbildung als auch die Qualifizierung für ehrenamtliche Tätigkeiten ermöglichen. Doch nicht einmal ein Prozent der Arbeitnehmer nutzt diese Möglichkeit.

„Der Zahl derer, die Bildungsurlaub beantragen, ist grottenhaft niedrig“, weiß Regina Beuck von Weiterbildung Hamburg e.V., einem Zusammenschluss von fast 200 Hamburger Bildungseinrichtungen. Nur wenige Arbeitnehmer würden von ihren Vorgesetzten auf die Möglichkeit eines Bildungsurlaubes aufmerksam gemacht. In den mehr als 30 Jahren, in denen das Bildungsurlaubsgesetz besteht, habe sich auch viel verändert: „Heute denkt man da mehr in Lernzeitkonten.“ Fortbildungen, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen, seien bei den Arbeitgebern eher unbeliebt. „Die wollen, dass die Arbeitnehmer solche Aktivitäten in die Freizeit verlegen“, vermutet Beuck.

Auch Ute Haacke von der Volkshochschule Hamburg hat bei Bildungsurlauben einen Trend festgestellt, der zu einer Buchung von Kursen mit berufsbezogenen Inhalten geht. Politische Themen seien inzwischen seltener gefragt. „Generell müssen wir feststellen, dass in Hamburg deutlich weniger als in früheren Zeiten Bildungsurlaub in Anspruch genommen wird“, sagt Haacke. „Darunter leiden viele Weiterbildungsanbieter.“ Nicht selten seien in als Bildungsurlaub anerkannten Veranstaltungen auch Teilnehmer, die einen Teil ihres Urlaubs opferten.

Mit wenig kulanten Arbeitgebern hat auch die Europäisch-Lateinamerikanische Gesellschaft (ELG) Erfahrungen gemacht. Die Organisation mit Sitz am Jungfernstieg bietet Spanischkurse in Argentinien, Spanien und Kuba an, die als Bildungsurlaube anerkannt sind. Auch hier sind die Anmeldungen zurückgegangen. Meist seien es öffentlich-rechtliche Einrichtungen oder große Konzerne, die noch Bildungsurlaube buchen. „Wir würden das mit der konjunkturellen Schwäche in Verbindung bringen“, sagt Anna Giles von der ELG. In diesem Jahr hat sie bereits zwei Absagen von Arbeitgebern erhalten, die ihre Mitarbeiter für einen Spanischkurs auf Mallorca nicht freistellen wollten.

Arbeitnehmer, denen der Chef keinen Bildungsurlaub gewähren will, können sich bei der Hamburger Behörde für Bildung und Sport über ihre Rechte informieren. „In diesem Fall sollten die Betroffenen versuchen, den Streit möglichst einvernehmlich zu klären“, rät Birgit Waltereit von der Abteilung Bildungsurlaub. Dies sei vor allem wegen des drastischen Arbeitsplätzemangels wichtig, sagt sie. Sinnvoll sei die Vermittlung von Betriebs- oder Personalrat. Als letztes Mittel bleibe der Gang vors Arbeitsgericht.