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ortstermin von Petra Schellen in der ElbphilharmonieSchöpfung mit zu wenig Klopapier und Seele

Einer der wenigen Orte uneingeschränkter Frauensolidarität ist die Damentoilette. Das gilt besonders für öffentliche Veranstaltungen und Massenaufläufe wie bei den Konzerten der just eröffneten Hamburger Elbphilharmonie. Da fragen einen beim Warten wildfremde Japanerinnen und Spanierinnen, wie man die Akustik und Performance findet.

Allerdings ist diese überbordende Kommunikation auch Indiz der Tatsache, dass die Weltklasse-Architekten Herzog & de Meuron die Damentoiletten nach einem bizarren Algorithmus verteilt haben. Während es im 13. Stock genügend gibt, finden sich im Parkett auf Etage zwölf genau zwei.

Das sind genauso viele wie in Hamburgs Laeiszhalle von 1908. Aber hatte man in der Elbphilharmonie nicht alles besser machen wollen? Ja, schon, aber Ästhetik geht vor Funktion, und zu viele Frauenklos stören. Zu viel Klopapier übrigens auch – weshalb es bei der Sonntagvormittags-Aufführung von Haydns „Schöpfung“ erstmal keins gab.

Als Pausen-Schmankerl wurde dann eine Schlange von gefühlten 20 Kilometern geboten, was zu süffisanten Abgängen mit den Worten „ich geh jetzt und mach die teuren Sitze nass“ führte. Andere wurden theologisch: „Dass es Männer und Frauen gibt, ist ja schon länger bekannt – haben wir doch gerade gehört“, sagte eine.

In der Tat, das hatte man: Vom Ur-Chaos bis zum liebenden Adam-und-Eva-Paar reicht Haydns „Schöpfungs“-Oratorium, Teil des Eröffnungsfestivals und präsentiert vom NDR-Elbphilharmonieorchester. Ein Stück, selten gespielt und so wenig zuckergussig wie der ganze Haydn – obwohl man ihm das oft unterstellt.

Dafür anrührend lautmalerisch, wenn man die Wale quasi unter Wasser singen hörte. Derb-humorig, wenn den Kontrabässen plötzlich ein furzartiger Ton entfuhr. Und wenn Eva Adam bei den Worten „Dein Will ist mir Gesetz“ ironisch anschmachtete, wollte man fast an Haydns Feminismus glauben. Erstklassig dazu der NDR-Chor, sehr gut alle Solisten.

Überraschend getragen und artig bemüht kam allerdings das Orchester daher, dessen Gesamtklang vom Parkett aus zwar angenehmer wirkte als aus Etage 13 gleich hinter den Blechbläsern. An den lauten Stellen zuckte man aber auch im Parkett jedesmal erschreckt zusammen, wie schon beim Eröffnungskonzert. Und synchron spielten an diesem Morgen vor allem die Holzbläser. Flöten, Oboen, Fagotte hörten aufeinander, drehten sich sogar mal zur Sopranistin um, damit der Einsatz punktgenau gelang.

Und die Streicher, quasi die Mehrheitsgesellschaft dieses Elbphilharmonie-Residenzorchesters? Sie spielten, wie ihnen geboten, aber ohne – ja, soll man sagen: Seele?

Jedenfalls ohne Binnenspannung, und das fällt bei einem Werk wie der Schöpfung besonders auf. Denn das ist eine sich entfaltende Geschichte mit Spannungsbogen, und da reicht es nicht, wenn man mechanisch laut oder leise spielt, weil Dirigent Thomas Hengelbrock es so anzeigt

Dabei hat Hengelbrock Spannung und Timbre bei seinem eigenen, allerdings kleinen Balthasar-Neumann-Ensemble exzellent im Griff. Wie gute Freunde interagierten diese Musiker in Purcells „Dido und Aeneas“ vorigen Herbst auf Kampnagel.

Die NDR-Musiker indes zerfallen in Fraktionen. Trotzdem: Abgesehen davon, dass man beim Rausgehen oft über unerwartete, dafür architektonisch hochwertige Lücken in den Treppen stolperte, ist dieser „Schöpfungs“-Morgen schön gewesen.

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