Warum stellt eine KLinik einen Gynäkologen ein, der keine Abtreibungen vornehmen will?
: Mut und Mainstream

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

Katrin Seddig

„Wie gut, dass US-Präsident Trump nun auch in Deutschland wieder moralische und ethische Werte wieder auferstehen lässt! Sehr gute Entscheidung der Klinik!“ Das stand als Kommentar unter einem Bericht des NDR über die Entscheidung eines Arztes, keine Abtreibungen mehr vorzunehmen. Mutig fanden das einige. Gegen den Mainstream. „Gegen den Mainstream“ ist alles, was Kommentarklaus gut findet. Kommentarklaus überzeugt sich nicht davon, ob eine Ansicht „Mainstream“ ist. Es genügt, dass Kommentarklaus eine Ansicht selber ablehnt, um sie in seinen Augen zu „Mainstream“ zu machen, denn so kann er sich selbst ein bisschen mutig finden.

Und nun ist also auch Donald Trump zu einem geworden, der mutige Entscheidungen gegen den Mainstream trifft. Der Chefarzt der Gynäkologie in der Casio Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg im Landkreis Lüchow-Dannenberg jedenfalls hat die Entscheidung getroffen, keine Abtreibungen mehr in seiner Abteilung – vorzunehmen und woanders können die ja auch gar nicht vorgenommen werden. Er ist Christ und findet Abtreiben unmoralisch.

Die Klinikleitung, heißt es, stellt sich hinter ihren Chefarzt. Das ist doch mal schön. Wenn er, der Chefarzt, sowas nicht machen möchte, dann muss er das auch nicht. Nun sieht es wohl so aus, als ob die Klinikleitung da gar keine Entscheidung getroffen hat. Sie hat sich nur hinter jemanden gestellt, ihn gestärkt, Verständnis gezeigt. Alles Sachen, die man gerne hört, von Arbeitgebern. Zumal von solchen, die mutig Entscheidungen gegen den Mainstream treffen. Wie Donald Trump, zum Beispiel. Der trifft auch mutig Entscheidungen gegen den Mainstream. Tag für Tag. Der lässt sich nicht entmutigen.

Aber mal zurück zu diesem Chefarzt. Der ist also Christ und er will nicht abtreiben. Ich persönlich würde vielleicht auch nicht abtreiben wollen, obwohl ich kein Christ bin. Aber ich bin auch nicht Arzt geworden. Was ich sagen will, ich verurteile keine Menschen, die nicht abtreiben wollen. Und ich finde es gut, wenn Menschen überhaupt moralische Entscheidungen treffen. Aber hätte denn die Klinikleitung, wenn ihr an ihrem medizinischen Programm gelegen wäre, zu dem auch Abtreibungen gehörten, den Chefarzt überhaupt einstellen dürfen? Hätte die Klinikleitung jemanden eingestellt, der gegen Bluttransfusionen ist, aus religiösen oder moralischen Gründen?

Auch wenn der Vergleich medizinisch etwas hinkt, er hinkt nicht in der Hinsicht, dass er verdeutlicht, dass die Klinikleitung verantwortlich ist, für die Entscheidung, in ihrem Haus keine Abtreibungen mehr vorzunehmen. Wenn sie weiterhin Abtreibungen hätte vornehmen wollen, hätte sie diesen Arzt nicht eingestellt. Ebenso wenig wie sie keinen Arzt eingestellt hätte, der gegen Bluttransfusionen ist.

Was bedeutet das aber für die Frauen, die in Dannenberg eine Abtreibung vornehmen wollen? Sie werden sich anderswo hinbegeben müssen. Aber es bedeutet noch mehr. Es bedeutet, dass eine große Institution, ein ganzes Krankenhaus, Abtreibungen moralisch verurteilt. Jede Frau, die sich wegen einer Abtreibung dort hinwenden wollte, wird erfahren, dass ihr Vorhaben von einem ganzen Krankenhaus moralisch verurteilt wird. Es ist ein Zeichen.

Ich kenne einige Frauen, die abgetrieben haben. Die meisten waren im fortgeschrittenen Alter und hatten bereits mehrere Kinder. Eine war ein Mädchen, das noch zur Schule ging. Ich weiß nicht, ob es mutig ist, als Mann, der niemals ein Kind wird austragen müssen und hinter dem die ganze Klinikleitung steht, solch eine Haltung zu vertreten. Mutig wäre es gewesen, den Job nicht anzunehmen, wenn man sich nicht in der Lage sieht, ihn wirklich auszuüben.