Mit Bett- und Badeszenen

Leander Haußmanns TV-Adaption von „Kabale und Liebe“ (Mo., 20.15 Uhr, 3sat)

Eine gute Nachricht zuerst: Mit der Ausstrahlung von „Kabale und Liebe“ ist der Zenit des ZDF-Engagements im und für das Schillerjahr überschritten. Mit diversen Aktionen hatte sich der Sender bemüht, „den Säulenheiligen der deutschen Klassik aus Anlass seines 200. Todestages vom Staube zu befreien und ins Hier und Jetzt zu holen“, wie ZDF-Intendant Markus Schächter trompetete – ganz so, als würde im 21. Jahrhundert nur eine Kamera Gegenwart garantieren. Dem Theater scheint man in Mainz jedenfalls wenig Erneuerung zuzutrauen. Sei’s drum, hier kommt die zweite gute Nachricht: Leander Haußmanns Fernsehversion von „Kabale und Liebe“ ist durchaus sehenswert.

Haußmann wechselt bereits seit seiner Zeit als Intendant des Schauspiels Bochums zwischen Theater und Film (zuletzt „NVA“). Dieses Zu-Hause-Sein in beiden Welten hat ihm bei seiner ersten Theaterverfilmung offensichtlich geholfen. Kamera, Schnitt und Schauplatzwechsel erzeugen eine Dynamik, die zwar bisweilen ins Hysterische kippt; dem entgegen steht jedoch eine große Lässigkeit im Umgang mit dem Text. Um das Drama im Fernsehformat servieren zu können, musste zwar viel gestrichen werden, doch jener Text, der übrig bleibt, wird souverän und lustvoll dicht an der Vorlage gesprochen. Von Katharina Thalbach, Götz George, Detlev Buck und anderen – einer höchst illustren Truppe also.

Von der politischen Dimension des Stücks ist durch die Kürzungen natürlich einiges verloren gegangen. Das erste deutsche Sozialdrama erzählt von der Liebe zwischen dem Adeligen Ferdinand und der Bürgerstochter Luise, die in der Ständegesellschaft keine Chance hat und im gemeinsamen Selbstmord endet. Vor dem Hintergrund des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs thematisiert Schiller jedoch weit mehr: Macht, die durch Mord erkauft wurde, Ausbeutung und absolutistische Willkür. Im Fernsehen liegt der Fokus nun klar auf der Lovestory; auch einige in der Vorlage nicht auffindbare Bett- und Badeszenen sind zu bestaunen. Für Detlev Buck, der den Intriganten Wurm spielt und den Film koproduziert hat, geht das aber in Ordnung: „Die Theateraufführung dauert fast drei Stunden. Das ist für viele jenseits von Gut und Böse. Wir liegen bei 100 Minuten. Damit geben wir den Leuten zumindest einen Berührungspunkt. Sonst sagen die doch gleich: Nee, ich schnarch’ weg.“ Lieber, gesteht er, hätten sie zwar Schillers „Räuber“ verfilmt, aber ein ganzes Dorf niederzubrennen war im 2,2-Millionen-Budget nicht drin. Also haben sie sich auf den Zündstoff in „Kabale und Liebe“ besonnen.

Gedreht wurde in Österreich und Tschechien. Theatralisch ist allein die Konzentration auf die Schauspieler: die Gesichter August Diehls (Ferdinand), Paula Kalenbergs (Luise) und Götz Georges (ein weniger tyrannisch als debil wirkender Präsident) erscheinen immer wieder in Nahaufnahme. So ist der Film in erster Linie für die lohnend, die diesen Menschen gerne bei der Verwandlungsarbeit zugucken. Und für alle anderen gibt’s die Reclam-Ausgabe und 427 Bühnen in Deutschland, die so ziemlich alle eine Schillerinszenierung im Spielplan haben – manche sogar eine richtig aktuelle.

Christiane KÜHL

Wiederholung: 9. 10., 22.00 Uhr, ZDF