Anna Klöpper macht sich Gedanken über die Plagen der Großstadt
: Eine Ratte hoch zehn

Neulich huschte mir auf dem abendlichen Nachhauseweg, beim Abkürzen durch die kleine Grünanlage, eine direkt vors Fahrrad: geschmeidiger Körper, wieselflink. Eine Ratte. Ich mag keine Ratten. Ich mag dieses Wieselige nicht. Ich mag mir ihre Mülltonnen-Diät, von der sie sich ernähren, nicht vorstellen. Ratten quieken, sind von Natur aus mit einem wurm­artig verdickten Schwanz geschlagen und haben gelbe Zähne. Wahrscheinlich haben sie auch Mülltonnen-Mundgeruch. Also schrie ich einmal kurz iiihh, fuhr einen großen Haken nach links und dann weiter.

Bei Ratten werden die meisten Leute, mich eingeschlossen, ein bisschen komisch. Hat man eine Ratte gesehen, wähnt man gleich zehn weitere im Gebüsch. Auch, weil man die Viecher meistens eben gerade nicht sieht. Überraschung und Ekel machen quasi aus einer Ratte zehn.

Ob dem CDU-Abgeordneten Danny Freymark unlängst auch eine Ratte vors Rad gewieselt ist, weiß ich nicht. Jedenfalls überschrieb er eine Kleine Anfrage an den Senat mit dem reißerischen Titel „Rattenplage in Berlin“. Tatsächlich sind die Rattenbekämpfungsmaßnahmen (Ködergift, Fallen) des zuständigen Landesamts für Gesundheit und Soziales seit 2014 um 1.275 Einsätze auf knapp 8.700 Maßnahmen in 2016 gestiegen.

Allerdings ist unklar, ob nun die Ratten tatsächlich mehr geworden sind – denn darüber liegen dem Senat keine Daten aus den bezirklichen Gesundheitsämtern vor – oder ob mehr BürgerInnen die Gesundheitsschädlinge, als die Ratten offiziell gelten, melden. Eigentlich besteht bei jeder Sichtung Meldepflicht, aber ich fürchte, die meisten machen es so wie ich, schreien iiihh und kümmern sich nicht weiter.

Nach Schätzungen des Landesamts für Gesundheit und Soziales kommen auf jede BerlinerIn ein bis zwei Ratten. Dann hätte die Stadt im Zweifel mehr Ratten als Menschen. Das fände ich beunruhigend. Wahrscheinlich ist es am Ende einfach so: Mehr Menschen, die herziehen, mehr Müll, mehr Ratten. Klar, dass auf dem Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg mehr Ratten leben als in einem Brandenburger Kuhstall. Das ist wohl der Preis der Metropole. Also: Immer schön die Dönerbox to go leer essen! Foto: Archiv