Sperre Mit dem Urteil über Hakan Çalhanoğlu fördert das Internationale Sportgericht den Kinderhandel
: Drakonische Strafe ohne Abschreckung

Derartige drakonische Strafen werden selten ausgesprochen. Fünf Monate, also 16 Bundesligaspiele, muss Hakan Çalhanoğlu bei Bayer Leverkusen aussetzen. Und eine Strafe von 100.000 Euro soll er auch berappen. Kein Wunder also, dass nach Bekanntgabe des Urteils des Internationalen Sportgerichtshof (CAS) am Donnerstag sogleich Bestenlisten mit den schwersten Schwerverbrechern unter den Fußballprofis der Bundesliga im Internet kursierten.

Für die Einordnung der Causa Çalhanoğlu ist das durchaus interessant. Carlos Großmüller (Schalke 04) durfte einst fünf Spiele nicht mittun, weil er einen Gegenspieler würgte. Wegen eines Trinkflaschenwurfs auf einen mäkelnden Fan musste Pablo Guerrero ebenso lange aussetzen und obendrein 20.000 Euro überweisen. Für schlimmer befunden wurde offenbar im Falle von Grafite (VfL Wolfsburg) ein absichtlicher Ellenbogenschlag. Die Folge: acht Spiele Sperre.

Die härteste Strafe der Bundesligageschichte erhielt jedoch Levan Ko­biash­vili (Hertha BSC Berlin): siebeneinhalb Monate Zwangspause wegen einer Tätlichkeit gegen den Schiedsrichter. Weil in diese Zeitspanne aber auch die Sommerpause fiel, hat es Çalhanoğlu nun ähnlich hart getroffen.

Was ist passiert? Im Alter von 17 Jahren begehrte das große türkische Talent nicht gegen seinen Vater auf, der mit dem türkischen Klub Trabzonspor einen Vorvertrag ausdealte, verlängerte aber seinen Kontrakt beim Karlsruher SC. Eine Vertragsverletzung, befanden Trabzonspor und danach der Fußballweltverband Fifa und das CAS, die strengstens sanktioniert werden muss. Vereinsvertreter von Trabzonspor ließen sogar am Freitag wissen, dass sie insbesondere die Geldstrafe für Çalhanoğlu als milde erachten.

Der Umstand, dass Çalha­noğlu zur „Tatzeit“ nicht mündig war, spielte offenkundig beim CAS- und Fifa-Urteil keine Rolle. Eine bemerkenswerte Igno­ranz, wenn man bedenkt, wie eifrig die Fifa nach außen hin ihr Streben nach Kinderschutz dokumentiert und Real Madrid und den FC Barcelona wegen diverser Verstöße deshalb schon an den Pranger stellte. Für Spielerberater, deren Einkommen sich auch aus Kinderhandel speist, aus dem Geschäft mit jugendlichen Großtalenten, ist der Richterspruch ein aufmunterndes Signal.

Wenn es ernst wird, müssen allenfalls ihre Klienten und deren aktuelle Vereine büßen. Die Sportrichter haben den Vertragsschutz über den Kinderschutz gestellt. Als Christian Heidel noch Manager von Mainz 05 war, berichtete er, dass sich selbst bei U15-Spielen die Zuschauerschaft aus 50 Eltern und 50 Beratern zusammensetzen würde. Der Drang, Jungtalente noch früher ins Geschäft einzubinden, ist groß, und damit wächst die Gefahr, dass es vielen anderen so ergeht wie nun Çalhanoğlu. Warum muss sich Trabzonspor eigentlich nicht dafür rechtfertigen, Verhandlungen mit Vätern zu führen, die ihre Kinder im Profigeschäft unterbringen wollen?

Der Umstand, dass Çalhanoğlu zur „Tatzeit“ nicht mündig war, spielte offenkundig keine Rolle

Diese Strafe ist absurd, weil sie gar keine Wirkung haben kann. Das Prinzip der Abschreckung verfängt nicht, weil die eigentlich Verantwortlichen nicht belangt werden. Die Abgestraften, Bayer Leverkusen und Hakan Çalhanoğlu, stehen außerhalb der Verantwortung.

Johannes Kopp