Amona wird friedlich geräumt

Israel/Palästina Rund 3.000 unbewaffnete israelische Polizisten tragen die Einwohner der wilden Siedlung aus ihren Häusern im Westjordanland. Es gibt ein paar Rangeleien

Mehr Dramatik als hier zu sehen hatte die Räumung von Amona gestern nicht zu bieten Foto: Ronen Zvulun/reuters

Aus Jerusalem Susanne Knaul

Über Stunden verzögerten Hunderte nationalreligiöse Jugendliche die Räumung der wilden Siedlung Amona. Die eigens zum Protest angereisten Aktivisten stellten sich den Sicherheitskräften in den Weg, trugen Hindernisse auf der Zufahrtsstraße zusammen und steckten Holzscheite in Brand. „Nicht mit Gewalt“, rief ein Polizist durch ein Megafon. „Wir sind gekommen, um euch zu helfen.“ Noch am Vortag hatte das Verteidigungsministerium den Neubau von weiteren 3.000 Wohnungen für Siedler im palästinensischen Westjordanland angekündigt.

Tatsächlich könnte die 1996 gegründete wilde Siedlung Amona nordöstlich von Jerusalem die letzte sein, die Israel räumen lässt, sollte die Knesset (Parlament) am Montag einen Gesetzentwurf absegnen, der Siedlungen, die auf palästinensischem Privatgrund errichtet wurden, rückwirkend legalisiert. Insgesamt geht es dabei um knapp 4.000 Wohnungen in 55 Siedlungen.

„Die Schlacht um Amona ist verloren“, erklärte Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei Das jüdische Heim, aber der Krieg werde anders ausgehen. Bennett verspricht die Annexion des gesamten Westjordanlandes. Dank Amona würden Tausende Familien zukünftig davor bewahrt werden können, aus ihren Häusern vertrieben zu werden. Die Siedler von Amona seien „Helden“.

13 Jahre lebte Eli Greenberg in der wilden Siedlung. Der achtfache Familienvater fühlt sich von der Regierung betrogen. „Eine Lösung wäre so leicht gewesen“, zürnt Greenberg, in dessen Haus sich einige Dutzend jugendliche Aktivisten versammelt haben, um den Sicherheitskräften die Räumung zu erschweren. Amona hätte „wie alle anderen Siedlungen auch“ legalisiert werden sollen. Der Gesetzentwurf über die nachträgliche Legalisierung kam für Amona zu spät. Der Oberste Gerichtshof entschied zugunsten der palästinensischen Familien, die ihren Anspruch auf das Land einklagten, auf dem die Siedler ihre Wohnheime aufstellten.

„Im Moment essen wir Bohnensuppe – wie in Kriegen üblich“, gab sich Greenberg gegen Mittag noch gelassen am Telefon, während Polizisten aus dem Nachbarhaus einen Aktivisten nach dem anderen holten. Wohin die Sicherheitskräfte ihn und seine Familie bringen würden, wusste er nicht. „Die Regierung hat es versäumt, Ausweichquartiere für uns bereitzuhalten.“

„Verbale oder gar physische Gewaltist verboten“

Rabbi Chaim Druckman

Passive Gewalt war das Motto der Demonstranten in Amona, die sich zum Teil aneinanderketteten. „Wie ein Sack Kartoffeln“ sollten sie sich verhalten. Die Erfahrung der gewalttätigen Räumung von nur vier Häusern in Amona vor zehn Jahren, als über 250 Menschen verletzt wurden, ließ beide Seiten diesmal Zurückhaltung wahren.

Die Sicherheitskräfte kamen nicht wie damals auf Pferden und mit Schlagstöcken und Helmen, sondern unbewaffnet in hellblauen Stoffjacken und Sportmützen. Auf der anderen Seite appellierte Rabbi Chaim Druckman, ehemals Abgeordneter der Nationalreligiösen Partei und Mitgründer der radikalen Siedlerbewegung Gusch Emunim, an die Jugendlichen, Ruhe zu bewahren. „Verbale oder gar physische Gewalt ist verboten“, mahnte der Rabbiner.

Die Polizisten mussten dennoch lautstarke Beschimpfungen und vereinzelt sogar Steinwürfe hinnehmen. „Ein Jude vertreibt keinen Juden“, riefen die Demonstranten im Chor und appellierten an die Sicherheitskräfte: „Verweigert euch!“ Ein Grenzpolizist verließ seine Gruppe. Er habe „den Druck nicht aushalten können“, erklärte Polizeisprecherin Merav Lapidot, die ihrem Kollegen keine Befehlsverweigerung zur Last legen wollte. „Wir müssen zwischen den Bewohnern von Amona und den Anarchisten unterscheiden“, erklärte Lapidot. Über Monate habe die Polizei „einen Dialog mit den Siedlern“ geführt. Die große Mehrheit habe sich bereiterklärt, die Häuser widerstandslos zu verlassen. Auch Greenberg versicherte: „Wir sind gute Bürger.“