Fällt selbst hinein

Deutsche Bahn Vorstandschef Rüdiger Grube tritt überraschend zurück. Vorangegangen ist ein unwürdiges Geschacher um seine Vertragsverlängerung

Steigt runter vom gelben Wagen: Dr. Rüdiger Grube Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Von Wolfgang Mulke

BERLIN taz | Die Bahn muss sich einen neuen Chef suchen. „Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat heute einstimmig der Bitte von Dr. Rüdiger Grube entsprochen, mit sofortiger Wirkung seine Bestellung zum DB-Vorstandsvorsitzenden aufzuheben und seinen laufenden Vertrag durch eine Auflösungsvereinbarung zu beenden“, teilte das Gremium nach einer Sondersitzung am Montag mit. Dabei sollte der Vertrag des Managers endlich verlängert werden. Doch auf das Angebot des Aufsichtsrats nach monatelangen Verhandlungen wollte Grube nicht eingehen. Damit hatte weder bei der Bahn noch in der Politik jemand gerechnet.

„Im Haus herrscht blankes Entsetzen“, berichtet ein Mitarbeiter aus dem Bahntower. Auch im engeren Kreis der Führungsspitze war von einer „Mega-Überraschung“ die Rede. Nun muss der Finanzvorstand Richard Lutz die Aufgaben des Bahnchefs übergangsweise übernehmen. So sieht es die Geschäftsordnung des Konzerns vor. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will die Nachfolge „zügig“ regeln, aber noch keine Namen ins Gespräch bringen. Das bezieht Dobrindt vor allem auf Ronald Pofalla. Der frühere Leiter des Kanzleramts wechselte Anfang 2015 in den Bahnvorstand.

Über die Gründe für Grubes unangekündigten Entschluss lässt sich nur mutmaßen. Formal ging es um zwei Elemente seines neuen Vertrages, die Laufzeit und die Dotierung. Klar war im Vorfeld, dass der Kontrakt nicht über die üblichen fünf Jahre laufen sollte. Der 65-Jährige wollte das selbst nicht. Drei Jahre standen auf seiner Wunschliste. Dem Aufsichtsrat wären zwei Jahre lieber gewesen. Dazu pochte Grube auf eine Anhebung seiner Vergütung, die für ein Unternehmen dieser Größe vergleichsweise eher schmal ausfällt. Dem Vernehmen nach wollten die Kontrolleure diesem Wunsch nicht entsprechen. Es habe keine Einigungsbereitschaft auf beiden Seiten gegeben, bedauert Dobrindt die Entwicklung.

Aber um die Höhe der Vergütung ging es Grube vermutlich nicht. Schon mehrfach hatte er im kleinen Kreis zu erkennen gegeben, dass er zwar gerne Bahnchef bleiben würde, aber nicht an seinem Posten klebe – und dass seine Leistung eine Wertschätzung verdiene. Auf die erste fällige Erhöhung seiner Vergütung vor fünf Jahren habe er freiwillig verzichtet, weil es dem Unternehmen nicht gut ging. Für eine zweite Nullrunde fehlte ihm das Verständnis. Aus dieser Sichtweise heraus ist ein Rücktritt konsequent.

„Im Haus herrscht blankes Entsetzen“

Mitarbeiter der DB-Zentrale

Der Konzern hat nun mitten im Umbau zu einem modernen Verkehrskonzern mit vielen neuen digitalen Angeboten, hohen Schulden, einem kriselnden Güterverkehr, zu unpünktlichen Zügen und etlichen Baustellen ein weiteres Problem. Für Pofalla kommt die Vakanz des Chefpostens zu früh. Im beginnenden Wahlkampf bietet die Berufung des CDU-Politikers scharfe Munition für die politischen Gegner. Zu schwer erscheint der Vorwurf, dass sich Pofalla erst als Kanzleramtsminister für die Belange des Konzerns eingesetzt habe und nun dafür mit dem Spitzenjob belohnt werde.

Doch Alternativen lassen sich nicht leicht finden. Headhunter schätzen die Zahl der ge­eigneten Manager auf allenfalls eine Handvoll. Denn das Profil ist vielfältiger als bei einem ­normalen Unternehmen – nicht nur rund 300.000 Beschäftigte wollen ordentlich geführt ­werden, auch Politikern aus Bund, Ländern und Kommunen müssen ausgehalten werden. Ein Job, den Grube in den letzten acht Jahren gut umgesetzt hat.