Heike Holdinghausen über weggeworfenes Kantinenessen
: Volksbildung reicht nicht

Es ist schon etwas länger her, da war der Verbraucher schuld daran, dass der überwiegende Teil der Landwirtschaft in Deutschland so mies ist, wie er ist. Die Erzählung ging so: Der Verbraucher kauft billige Lebensmittel und befördert somit Tierquälerei und Überdüngung auf dem Acker. Also muss der Verbraucher aufgeklärt und gebildet werden, damit er sein Verhalten ändert.

Aufklärung und Bildung sind immer schön. Doch dem interessierten Publikum ist aufgefallen, dass es kaum Einfluss auf Zahl und Haltung von Schweinen in Niedersachsen hat, ob die Deutschen weniger konventionelle Schnitzel essen. Schärfere Gesetze und umgelenkte Agrarsubventionen würden viel mehr bewirken.

Der öffentliche Diskurs zum Thema Nahrungsmittelabfälle aber läuft noch immer nach dem alten Muster. Der Skandal von Millionen Tonnen zu viel erzeugter Lebensmittel beschäftigt zwar die politischen Gremien, doch zuständig für die Problemlösung fühlen sie sich nicht. Auf der Website „zugutfürdietonne“ donnert etwa das Bundeslandwirtschaftsministerium dem Besucher entgegen: „Jedes achte Lebensmittel, das wir kaufen, werfen wir weg. Du kannst das ändern.“

Wichtiger als das, was das einzelne „Du“ tun kann, ist, was Bundes- und Landesregierungen tun könnten. Zum Beispiel könnten sie die Kommunen dabei unterstützen, Ernährungsberater an Ganztagsschulen, Kindergärten oder staatlichen Kantinen zu installieren, die sich, bezahlt und regelmäßig fortgebildet, um das Thema „Kantinenessen“ kümmern. Denn mehr Kommunikation – wie viel wird gebraucht, was bleibt meist übrig – bedeutet weniger Abfall. Oder sie könnten den Handel verpflichten, nicht nur makellose Ware anzubieten.

Wenn sich die Umweltpolitiker des EU-Parlaments durchsetzen, wird Brüssel den Mitgliedsländern demnächst abverlangen, bis 2030 die Lebensmittelabfälle zu halbieren. Mit Volksbildung allein ist das nicht zu schaffen.

Wirtschaft + Umwelt