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Wie die Mopo, nur in Grün

PRESSEDer Stromanbieter Care-Energy will die neue Tageszeitung Morgenblattmit Dumping-Anzeigenpreisen herausbringen. Kritiker zweifeln an der Unabhängigkeit

Wer dahinter steckt

Care-Energy ist ein Hamburger Energieversorgungsunternehmen für Strom und Gas und bietet laut eigener Aussage billige Energie.

Das Geschäftsmodell und auch das Geschäftsgebaren des Billigstromanbieters wurden bereits mehrfach von den Behörden sanktioniert.

Im Mai 2013 mahnte der Bundesverband der Verbraucherzentrale Care-Energy wegen unzulässiger Geschäftsbedingungen und unlauterer Werbung ab.

Im Juli 2013 wurde bekannt, dass die Unternehmensgruppe ihrer Bilanzierungspflicht nicht nachgekommen war und das Bundesjustizamt deswegen Ordnungsgelder verhängt hatte.

2014 verhängte die Bundesnetzagentur ein Bußgeld in Höhe von 400.000 Euro gegen das Unternehmen.

Das Unternehmen besteht aus einer Holding- und Vertriebsgesellschaft, der Care-Energy Holding GmbH.

Alleingesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 21. Januar der Österreicher Martin Kristek.

von Marco Carini

Care-Energy hüllt sich in Schweigen. „Sie werden von mir diese Woche keine weiteren Informationen bekommen“, blockte Unternehmenssprecher Marc März jede Anfrage ab und verwies darauf, dass alle Medienberichte über Hamburgs neue Tageszeitung Morgenblatt „nicht mit uns abgestimmt und nicht in unserem Interesse“ sind. Bestätigen will das Unternehmen nur, dass es im Februar tatsächlich eine neue Hamburger Tageszeitung herausbringen will. „Alles andere sind Spekulationen“, sagte März.

Ein paar Informationen lassen sich jedoch finden: Ein Facebook-Post von Care-Energy etwa. Das Unternehmen zeigt hier eine sogenannte Nullnummer der neuen Zeitung. Das Morgenblatt kommt optisch als Zwitter der beiden Zeitungen daher, deren Namen es schon zum Verwechseln gleicht. Kleinformatig wie die Hamburger Morgenpost und mit einem Grün als Schmuckfarbe, das von dem des Hamburger Abendblattes nur eine Nuance entfernt ist.

Nach Medienberichten wird ein Exemplar der Zeitung 70 Cent kosten. Die aufgerufenen Anzeigenpreise sollen weit unter dem marktüblichen Niveau liegen. Das Unternehmen bestätigt das nicht. Chefredakteur könnte Andreas Wrede werden. Der Journalist arbeitet als Dozent an der Hamburg Media School und arbeitete bereits für Bild, Bild am Sonntag, den Spiegel-Verlag und das Livestyle Magazin Max.

Nicht in der Gewinnzone

„Ehrlich, unabhängig, anders“, so wirbt Care-Energy für sein neues Produkt. Doch Branchenkenner setzen auch hinter die Unabhängigkeit der Zeitung ein dickes Fragezeichen. Da der Morgenblatt-Verlag K Eins dem Energieanbieter Care-Energy gehört und aufgrund seiner niedrigen Anzeigenpreise und des geringen Verkaufspreises im umkämpften Hamburger Zeitungsmarkt kaum in der Gewinnzone landen dürfte, liegt das Interesse von Care-Energy an dem Morgenblatt im Nebel.

Dass die neue Publikation mit einer Mini-Druckauflage von 50.000 Exemplaren den Platzhirschen Abendblatt mit einer Druckauflage von 191.004 Zeitungen und der Mopo mit 100.559 gedruckten Exemplaren und Bild Hamburg mit 208.656 Zeitungen das Wasser abgräbt, erscheint kaum denkbar.

So steht das neue Produkt, welches der vor wenigen Tagen überraschend verstorbene Care-Energy-Chef Martin Richard Kristek federführend mitkonzipiert haben soll, unter starkem Marketingverdacht. „Geschäftsmodell? Himmelfahrtskommando? Luxushobby? Eine subtile Form des Content Marketings?“ ist etwa der Horizont, ein Fachblatt für Werbung und Medien, unschlüssig.

Der Tod Kristeks könnte den Verkaufsstart um ein paar Wochen verschieben, denn noch gibt es viel zu tun. Der schon vorhandene Internetauftritt des Morgenblatts ist bisher auffallend inaktuell. So verriet am gestrigen Mittwoch die Spitzenmeldung der Morgenblatt-Website, die SPD werde demnächst darüber beraten, wer für sie als Kanzlerkandidat ins Rennen zieht.

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