Kritik: Jan-Paul Koopmann über „Verlorene Jugend“
: Einsam im Gewölbe

Foto: Jörg Landsberg/Theater Bremen

Die im Brauhauskeller weggesperrten Mädchen verletzen: sich selbst, einander – und auch das Publikum der „Verlorenen Jugend“. Dabei war die Katastrophe des gemeinsamen Suizids ja absehbar und der Stoff hinlänglich bekannt: Unter Anleitung von Christiane Renziehausen und Sabrina Bohl haben die Jungen Akteure das Stück entlang der Filme „The Virgin Suicides“, „Mustang“ und „Dogtooth“ entwickelt.

Dass dieses um sich selbst kreisende Elend der eingesperrten Schwestern hier auf der Bühne sogar tiefer schneidet als im Film, liegt daran, wie einen das Stück zum tatenlosen Bezeugen zwingt: Ohne Trennung von Publikum und Spielfläche wandert man zwischen den Szenen durch den Keller, in dessen Räumen und Fluren die Mädchen ihre Zimmer haben, wo sie im Halbdunkel oft gleichzeitig aneinander vorbeiexistieren und doch immer wieder irgendwo zusammenfinden, wenn im Gruppenspiel die nächste Eskalationsstufe eingeläutet wird.

Und da fragt man sich bei einem besonders harten Zusammenbruch auch schon mal, ob es überhaupt richtig ist, noch zuzusehen – ob man nicht besser rüber gehen sollte zu einem andern Schauplatz, die Zerbrechende allein ließe, statt auch noch den Gaffer zu machen.

Doch es gibt nichts anderes: Das Stück verzichtet auf die Täter, die Gesellschaft. Wer die Mädchen hier eingeschlossen hat, bleibt so unklar wie das Warum. Und so notwendig das auch sein mag, um diese unglaubliche Dichte zu erzielen, so verbaut sich das Stück hier auch die Chance, wirklich grundsätzlich zu werden. Denn es legt doch die verheerende Lesart zumindest nahe, Mädchen seien eben so: dass sie wahnsinnig werden ohne Sex und ohne Jungs. Dass sie eben von Natur aus biestig und grausam zueinander sind.

Doch auch das ändert zuletzt nichts an der einschneidenden Erfahrung und es verstellt auch nur etwas von dem, das wohl auch in jeder Kindheit jederR ZuschauerIn steckt: die Enge der eigenen Welt bei der gleichzeitigen Übergröße ihres Inhalts.

Termine: 1., 3., 4. und 5. 2. (nur noch Restkarten), 19 Uhr, Theater Bremen, Brauhauskeller