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Satt & selig

Knackige Kraftprotze

Harte Schale Ob vom Markt, aus der orientalischen Rösterei, dem Bioladen oder Rohkostversand – Nüsse spielen vor allem in der neuen vegetarischen und veganen Küche eine Paraderolle. Die gehaltvollen Kerne sorgen für Geschmack, Sättigung und Sämigkeit

Eichhörnchen wissen, was gut ist, aber Menschen wissen, wie man noch mehr aus Nüssen herausholt Foto: Louis-Marie PREAU/hemis.fr/laif

von Annika Hennebach

Die Nüsse aus dem Nikolausstiefel, weihnachtliche Elisenlebkuchen und auch das Marzipanbrot sind gerade verputzt, da geht es auch schon weiter mit den getrockneten Kernen. Schließlich bekommt man jetzt noch auf Berliner Wochenmärkten und in manchen Bioläden Walnüsse und Haselnüsse aus Deutschland. Bis in den Februar hinein werden die hiesigen Kraftprotze in ihrer knackigen Schale angeboten. Danach muss man zurückgreifen auf Ware aus anderen Ländern Europas, aus Afrika, Südamerika oder den USA. Je nach Nuss natürlich.

„Und Nuss ist ja nicht gleich Nuss“, sagt Lina Geißelhart von dem Berliner Onlineversand bacabio, der ausschließlich Bionüsse und Biotrockenfrüchte, zu großen Teilen in Rohkostqualität, führt. Dabei geht es ihr nicht um die Bezeichnung Nuss im botanischen Sinne, die eben gar nicht auf alle Schalenfrüchte zutrifft, die wir gern verzehren. „Ob ich eine gesalzene, geröstete Erdnuss esse, in der kaum noch Nährstoffe drin sind, oder eine schonend bei höchstens 45 Grad getrocknete Nuss in Rohkostqualität, die teilweise sogar noch keimfähig ist, macht einen großen Unterschied für den menschlichen Körper.“ Bei Lina Geißelhart kaufen vor allem gesundheitsbewusste Menschen – Veganer, Rohköstler und solche mit Intoleranzen, die die unschlagbare Nährstoffdichte der Nuss höchstmöglich nutzen wollen.

Hier bekommt man eine gute Auswahl an Nüssen:

Ed & Fred Nussdepot, Sonnenallee 73, 12045 Berlin und Huttenstraße 8, 10553 Berlin, www.genuss-roesterei.de/shop/

Nuts&Co, Hermannstraße 52, 12049 Berlin und Warschauer Straße 67, 10243 Berlin und Tempelhofer Damm 150, 12099 Berlin

Onlineversand: Bacabio, www.bacabio.com

Kochen mit Nüssen:

„Deliciously Ella: Für jeden Tag“. Von Ella Woodward, Bloomsbury Berlin 2016, 19,99 Euro

„Einfache Vielfalt“. Von Maurice Maggi und Juliette Chrétien, AT Verlag 2016, 42 Euro

„Krautkopf“. Von Susann Probst & Yannic Schon, Hölker Verlag 2015, 29,95 Euro

Wer nicht so viel Wert darauf legt, dass die Nüsse bio sind und unter idealen rohköstlichen Bedingungen bei 15 Grad in 45 Prozent Luftfeuchtigkeit gelagert werden, wird vor allem in den orientalischen Nussröstereien in der Stadt fündig. Nuts & Co etwa aus der Hermannstraße hat noch eine Filiale in Friedrichshain und eine in Tempelhof und in allen eine riesige Auswahl an frisch gerösteten oder ungerösteten Nüssen aus konventionellem Anbau. In Rohkostqualität sind keine dabei, die gibt es neben vielen anderen Sorten und Mischungen bei der Rösterei Ed & Fred auf der Sonnenallee, deren frisch eröffnetem zweiten Laden in Moabit sowie im dazugehörigen Onlineshop. Hier ist das ganze Sortiment deutschlandweit bestellbar, egal ob Mandel, Pistazie oder Macadamia, gesalzen, gewürzt, pur oder gemischt mit Trockenfrüchten, so wie das gute alte Prinzip Studentenfutter funktioniert.

Nicht nur zum Knabbern eignet sich das trockene Schalenobst voller ungesättigter Fettsäuren, Antioxidantien und Mineralstoffen, das täglich konsumiert auch gegen Herzkreislaufkrankheiten wie Schlaganfall und Infarkte sowie Krebs helfen soll, wie Wissenschaftler vom Imperial College London untersucht haben. Sondern auch zum Kochen. Ob im indischen Korma, in thailändischer Saté-Sauce oder italienischem Pesto bis hin zu ihrem Einsatz in der neuen vegetarischen oder veganen Küche – die gehaltvollen Kerne sorgen für Geschmack, Sättigung und Sämigkeit.

„Wenn ich Gäste habe und statt Sahne Mandel- oder Cashewmilch an die Sauce mache, merkt das keiner“, sagt Lina Geißelhart von bacabio. Die Berliner Fotografen und Blogger Susann Probst und Yannic Schon verraten in ihrem ausgezeichneten vegetarischen Kochbuch „Krautkopf“ neben dem Rezept für Mandelmilch auch eins für Cashewsahne, für das 50 Gramm (am besten über Nacht) eingeweichte Cashewkerne mit 100 Milliliter Wasser fein püriert werden. Verwendet wird die Masse dann wie Sahne in süßen oder salzigen Gerichten, so auch im Teig ihrer Kohlrabi-Ravioli mit Kürbiskernpesto. Die Britin Ella Woodward-Mills aka Deliciously Ella ersetzt mit Cashewnüssen nicht nur Sahne, sondern auch Ei und Parmesan in ihrer Carbonara. Für diese „nahrhafte, wohltuende und cremige“ Sauce, wie sie in ihrem zweiten Kochbuch „Für jeden Tag“ schreibt, werden die drei bis vier Stunden in Wasser eingeweichten Cashewkerne mit Butternusskürbis, Tamari, Zitronensaft, Wasser, Salz und Pfeffer püriert. Durch das Einweichen werden die Nüsse bekömmlicher. Zudem verlieren sie Phytin, das Mineralstoffe bindet, was vor allem bei täglichem Verzehr eine Rolle spielt.

Großer Unterschied: geröstet oder bei 45 Grad getrocknet in Rohkostqualität?

„Die Walnuss ist die Königin der Nüsse“, meint der Schweizer Guerilla-Gärtner-Pionier und erfahrene Koch Maurice Maggi. „Schon der Baum hat eine große Symbolkraft – in der Schweiz wurde traditionell mit der Nachgeburt des ersten Sohns eine Linde oder eine Walnuss gepflanzt.“ Maggi widmet der Walnuss in seinem neuen, wunderbar erzählenden Kochbuch „Einfache Vielfalt“ ein ganzes Kapitel, neben dem Apfel, der Zwiebel, dem Kohl oder dem Fisch. Bei ihm gibt es neben Nuss pur auch Ravioli mit Ricotta-Walnuss-Füllung, Rote-Bete-Salat mit Walnüssen oder Lammfleisch mit Walnuss und Quitte.

„Zürich hat etwa 80 Walnussbäume, da weiß ich schon, wo ich mir die holen kann“, sagt Maurice Maggi, dessen erstes Kochbuch saisonale Rezepte mit Pflanzen aus der Stadt versammelte. Und er gibt den Tipp: „Um sie für später aufzubewahren, schält man die reifen Nüsse, trocknet sie und bewahrt sie in Dosen oder Gläsern im Dunkeln auf, weil sie lichtempfindlich sind.“ Auch in Berlin gibt es Walnussbäume oder Haselnusssträucher im öffentlichen Raum – wo genau, verrät die Seite www.mundraub.org. Mitte September ist es wieder so weit: Dann wird selbst geerntet.