SCHEISSEGAL Deutsche Schultoiletten sind Orte, an denen viele Menschen lieber nicht sein möchten. Was hat sie bloß so ruiniert?
: Wie schlimm sind unsere Schulklos?
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Millionen Euro gab München 2015 für das Sanieren der Toiletten von 129 Schulen aus. 11 Schulen wurden später saniert. Von den knapp 1,5 Millionen Einwohnern sind etwa 122.000 Schüler. So genaue Angaben wie die bayrische Landeshauptstadt machen viele Kommunen und Landkreise nicht. Begründung: Die Kosten für die Schulklos würden nicht extra erfasst.
Quelle: taz-Recherche; Angaben der Kommunen/Landkreise
5,5
Millionen Euro hat die Stadt Freiburg für die Sanierung ihrer Schulklos in den vergangenen zehn Jahren ausgegeben. Die Zahl sei wahrscheinlich noch höher, aber bei Generalsanierungen würden nicht immer alle Kosten erfasst. Die Stadt hat etwa 226.0000 Einwohner, circa 25.000 Kinder und Jugendliche gehen dort zur Schule.
Quelle: taz-Recherchen; Angaben der Kommunen/Landkreise
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Kilometer Toilettenpapier verbrauchen die 7.541 Schüler des Landkreises Stendal in Sachsen-Anhalt monatlich. Dort leben knapp 115.000 Menschen. Die Daten aus Stendal sind sehr genau und zeigen zum Beispiel: Die 451 Gymnasiasten in der Stadt Havelberg verbrauchen 1,1 Liter Seife im Monat, die 54 Förderschüler 2,5 Liter
Quelle: taz-Recherche; Angaben der Kommunen/Landkreise
Wer ist verantwortlich? Bildung ist im föderalen Deutschland zwar Sache der Bundesländer, für Ausstattung, Instandhaltung und Sanierung von Schulgebäuden sorgen jedoch die kommunalen Schulträger, also Gemeinden, Kreise und Städte. Ausnahmen sind die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg. Dort sind die Landesbehörden für Baumaßnahmen an Schulen verantwortlich.
Wie viel wird gezahlt? 2014 gaben die Kommunen 13 Prozent ihrer Sachinvestitionen für Schulen aus. Für das Jahr 2015 hatten sie nach eigenen Ausgaben rund 20 Prozent dafür vorgesehen. Nur für den Straßenbau fließt mehr Geld.
Was muss getan werden? Nach einer Studie des Berliner Instituts für Urbanistik liegt der Sanierungsbedarf an Schulen allein in den 13 Flächenländern bei 38 Milliarden Euro. An den Schulen müsste laut den Experten des Instituts auch deshalb so viel gemacht werden, weil die Ansprüche an Schulgebäude – Energieeffizienz, Barrierearmut, digitale Ausstattung, Ganztagsbetreuung – im Vergleich zu vor zehn Jahren gestiegen sind. Hatte früher die Renovierung alter Bausubstanz oberste Priorität, sehen es Kommunalpolitiker heute vor allem als wichtig an, Kinder besser zu betreuen und Flüchtlinge zur Schule gehen zu lassen. Dafür müsse oft um- und angebaut werden.
Was fehlt? Der Grund für ausbleibende Reparaturarbeiten sind oft die mangelnden finanziellen Mittel vieler Kommunen. 2015 summierten sich die Schulden der Kommunen auf 145 Milliarden Euro. Fast ein Drittel der rund 12.000 Kommunen schreibt am Jahresende nach eigenen Angaben rote Zahlen. Zwar unterstützt die Bundesregierung Kommunen, die wenig Geld haben, mit insgesamt 10 Milliarden Euro bis 2018, unter anderem für energieeffizientere Gebäude. Auch erhalten die Länder mit dem „Kommunalinvestitionsförderungsfonds“ einmalig weitere 3,5 Milliarden Euro vom Bund. Über das Jahr gerechnet machen die beiden finanziellen Hilfen nur etwas mehr als 4 Milliarden Euro aus.
Wie schlimm ist es? Dass die zusätzlichen Gelder dringend benötigt werden, zeigen die Förderanträge aus den Kommunen. Selbst im relativ wohlhabenden Bayern gingen in fünf Monaten 1.300 Förderanträge ein. Erst auf diesem Wege erfahren die Länder von maroden Toiletten und lecken Dächern, sagen die SprecherInnen der Kultusministerien. Mit Ausnahme Berlins erfasst kein Bundesland den Sanierungsbedarf an seinen Schulen. Ralf Pauli