Das Ding, das kommt
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Seinen Cellobogen hat der Hamburger Musiker Andi Otto über Sensoren mit Audiosoftware verbunden. Mit seinem „Fello“ spielt er jetzt Mikrosamples, die er auf indischen Flohmärkten gesammelt hat Foto: Andi Otto

Musikwelt aus Klangschnipseln

Eine leichte Neigung des Bogens nach links, eine kleine Drehung nur, dann ein kräftiger Schwung zum Boden und wieder in die Höhe. Ohne die Saiten mit dem Bogen zu berühren, entlockt Andi Otto seinem Instrument die merkwürdigsten Töne. „Fello“ nennt der Hamburger Musiker seine Erfindung, die er seit 2005 gemeinsam mit dem Amsterdamer Studio for Electro-Instrumental Music entwickelt: eine Kombination aus Cello, einem mit Bewegungssensoren ausgestatteten Bogen und einer eigens entwickelten Audiosoftware.

Ein wenig sieht das Ganze aus wie das geisterhafte Herumgefuchtel von Spielern des Theremins, dieses frühen, berührungslos gespielten elek­tronischen Instruments. Aber statt nur ein elektromagnetisches Feld irgendwie zu beeinflussen, bestimmt Otto präzise, was an Klängen herauskommt. Jeder Bewegung, jeder Beschleunigung, jedem Fingerdruck ist eine Funktion zugeordnet, die Otto mit Fußpedalen einfrieren oder verändern kann: Töne dehnen, Echos erzeugen, durch Loopschleifen schicken. All das macht er nach all den Jahren ganz intuitiv.

Nicht nur den Klang seines Cellos kann Otto so verändern, sondern jedes mögliche Klang- und auch Videomaterial: ein gestisches Instrument zum Spielen elektronischer Musik, bei der der Musiker nicht mehr hinterm Laptop-Bildschirm verschwindet.

Für sein aktuelles Album „VIA“ hat Otto auf indischen Flohmärkten nach alten Vinylplatten gesucht, hat daraus kleinste Schnipsel gesampelt und in monatelanger Studioarbeit wieder neu zusammengesetzt. Herausgekommen ist eine ganz eigene Klangwelt, die mehr ist als nur eine Sammlung interessanter Fieldrecordings: eine diesmal auch tanzbare Musikreise um den halben Erdball. Am Donnerstag stellt er das Doppelalbum im Hamburger Gängeviertel vor. MATT

Andi Otto: „VIA“ (Pingipung)

Releasekonzert: Do, 26. 1., 21 Uhr, Fabrique, Hamburg