Gepflegte Langeweile

AMERICAN PIE Mit stupender Leichtigkeit sind die New England Patriots und Atlanta Falcons in den Superbowl eingezogen. Die Show übertüncht strukturelle Probleme

Her mit dem Ei! Jeff Janis, Wide Receiver der Green Bay Packers, und Atlantas Cornerback Robert Alford streiten sich um die Pille Foto: ap

von Thomas Winkler

Der Superbowl mit der römischen Zahl LI wirft seine Schatten voraus. Vor der 51. Auflage am 5. Februar in Houston ist das Endspiel der National Football League (NFL) bereits ein Politikum. Vor ein paar Tagen fühlte sich die NFL genötigt, offiziell zu verkünden, dass Lady Gaga, die in der Halbzeit des großen Spiels ein paar Lieder vortragen wird, keinen Maulkorb verpasst bekommen habe. Vorher waren nämlich Spekulationen ins Kraut geschossen, dass der Popstar die Gelegenheit nutzen könnte, vor einem Milliarden-TV-Publikum ein paar Sätze über den neuen Präsidenten der USA zu verlieren. Lady Gaga ist schließlich schon in der Vergangenheit als streitbare Verfechterin von LGBT-Rechten aufgefallen und Trump gilt als Sexist, aber die NFL ist traditionell geradezu panisch um ihr Image besorgt.

Das Management des Popstars bestätigte die Version der Liga, dass Lady Gaga bei der Gestaltung ihres zwölfminütigen Auftritts keinerlei Einschränkungen unterliegt. Man darf nun also gespannt sein, was in der Halbzeitpause passieren wird. Womöglich der einzige Spannungsmoment des Abends in Houston. Jedenfalls wenn sich fortsetzt, wie das Auswahlverfahren für die Endspielteilnehmer bislang abgelaufen ist: Denn die Playoffs waren in diesem Jahr unglaublich langweilig. Es gab kaum knappe Spiele, und sowohl die Atlanta Falcons als auch die New England Patriots, die sich am Ende durchsetzten, fuhren auf dem Weg in den Superbowl ausschließlich ungefährdete Kantersiege ein.

Vor allem die Patriots marschierten wieder einmal durch die Saison, als könne sie nichts aufhalten. Die Mannschaft aus Boston verdaute es, dass Star-Quarterback Tom Brady wegen einer Betrugsgeschichte die ersten vier Spiele gesperrt war. Selbst der verletzungsbedingte Ausfall des 1,98-Meter-Hünen Rob Gronkowski, der wichtigsten Anspielstation von Brady, konnte kompensiert werden. Die Patriots-Maschinerie lief weiter, ohne ins Stottern zu geraten – und Brady und sein Cheftrainer Bill Belichick stehen nun zum siebten Mal im Superbowl. Sowohl für den Quarterback als auch den Headcoach, die ein symbiotisches Verhältnis verbindet, ist das ein Rekord für die Ewigkeit. Sollten sie in Houston gegen die Falcons gewinnen, hätten die beiden dann jeweils fünf Superbowl-Siege auf dem Konto. Damit wären sie auch in dieser Kategorie einsame Spitzenreiter und hätten die legendären Pittsburgh-Steelers-Mannschaften der 70er Jahre oder die San Francisco 49ers der 80er um Bradys großes Vorbild Joe Montana, die jeweils viermal im Finale siegten, auch noch überflügelt.

Aber egal, ob das Spiel die Erwartungen erfüllen kann, die der vorausgehende zweiwöchige Medienhype aufbauen wird, egal, ob der 39-jährige Brady noch einen weiteren Erfolg einheimst, um das Familienleben mit Supermodel-Gattin Gisele Bündchen zu genießen, oder noch ein Jahr dranhängt: Nach Superbowl 51 wird die NFL nicht mehr dieselbe sein.

Denn in der kommenden Saison werden die San Diego Chargers ihr Glück in Los Angeles suchen. Während sich in San Die­go die Wähler weigerten, dem Klub mit Steuergeldern ein neues Stadion zu finanzieren, wird in der Entertainment-Metropole gerade ein 2,6 Milliarden Dollar teurer Palast errichtet, in dem die Chargers dann residieren dürfen zusammen mit den Rams, die bereits vor einem Jahr das arme St. Louis verlassen hatten.

Der nächste Umzugskandidat sind die Oakland Raiders, die vergangene Woche offiziell bei der NFL beantragt haben, sich künftig in Las Vegas niederlassen zu dürfen. Perspektivisch, so die Pläne der NFL, soll in gar nicht so ferner Zukunft auch in London ein Franchise der Football-Liga installiert werden.

Das Hin und Her folgt dem allmächtigen Dollar, denn mit jedem Umzug steigt der Wert des einzelnen Klubs und in der Folge der ganzen NFL. Auf lange Sicht allerdings könnte die Liga am eigenen Erfolg ersticken: Bereits jetzt bröckelt in vielen Städten die Unterstützung der Anhänger. In einstmals stets ausverkauften Stadien bleiben ganze Blöcke leer, und in der aktuellen Saison sind erstmals in der NFL-Geschichte die Fernsehquoten bei allen übertragenden Sendern gefallen, vor allem zu Beginn der Saison.

Die NFL ist zwar so reich wie nie zuvor, sie ist der mit Abstand umsatzstärkste Sportentertainmentbetrieb der Welt. Aber sie hat strukturelle Probleme, die selbst eine Lady Gaga nicht wird lösen können.