Machtwechsel mit Misstönen

Gambia Exdiktator Jammeh geht nach 23 Jahren im Amt ins Exil. Wahlsieger Barrow findet, die westafrikanischen Vermittler hätten viel zu große Zugeständnisse gemacht

Erleichtert: Anhänger des Machtwechsels am Samstag in Banjul Foto: Afolabi Sotunde/ reuters

von Dominic Johnson

BERLIN taz | Tagelang hatte Yahya Jammeh ganz Afrika auf die Folter gespannt: Würde Gambias abgewählter Präsident dem immer stärker werdenden westafrikanischen Druck nachgeben, seine Wahlniederlage akzeptieren, die Macht abgeben und ins Exil gehen? Eine Deadline der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) nach der anderen verstrich ergebnislos, bis am späten Samstagabend der 51-jährige Exdiktator auf dem Flughafen der Hauptstadt Banjul ein Flugzeug bestieg und nach Guinea flog – begleitet vom guineischen Präsidenten Alpha Condé, der das mit ausgehandelt hatte. Nach einem Zwischenstopp flog Jammeh nach Äquatorial-Guinea 2.500 Kilometer weiter östlich, eines der wenigen Länder Afrikas, wo ebenfalls seit Jahrzehnten ein als korrupt und brutal verschriener Diktator herrscht.

Jammehs reguläre Amtszeit war am Donnerstag abgelaufen, sein gewählter Nachfolger Adama Barrow im senegalesischen Exil als Präsident vereidigt worden. Die Ecowas hatte in Senegal eine mächtige Eingreiftruppe aufgestellt, verstärkt durch Spezialkräfte, Kampfjets und ein Kriegsschiff aus Nigeria. Die Drohung: Geh freiwillig oder wir sorgen dafür. Immer wieder hieß es am Freitag und am Samstag, Jammeh habe bei den Gesprächen mit den Präsidenten Mauretaniens und Guineas eingewilligt zu gehen.

Warum es so lange dauerte, merkten die auf der Flughafenpiste versammelten Journalistenteams am Samstagabend: Gigantische Mengen Gepäck luden die Soldaten in die Maschinen. Aus Tschad wurde extra ein Frachtflugzeug herangeschafft, um 13 Luxusautos zu verladen. Jammeh nimmt offenbar alles mit, worauf er nach 23 Jahren an der Macht direkten Zugriff hat.

Daraus entwickelt sich nun Streit zwischen der westafrikanischen Vermittlung und dem neuen Präsidenten Adama Barrow. Denn offenbar haben die Vermittler Jammeh, dem mit Abstand dienstältesten Staatschef in Westafrika, zugesagt, dass er alles mitnehmen darf. Der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU) veröffentlichte den Deal mit Jammeh auf seiner Webseite: AU, Ecowas sowie die Vereinten Nationen sagen zu, dass Gambias neue Regierung „die Würde, Sicherheit und Rechte der Familie, Kabinettsmitglieder, Regierungsbeamten, Sicherheitsbeamten, Parteiunterstützer und Anhänger Expräsident Jammehs vollumfänglich garantiert, sicherstellt und gewährleistet“.

Es dürfe keine anderslautenden Gesetze geben, keine „Einschüchterung oder Hexenjagd“; es dürften keine „rechtmäßigen Güter und Besitztümer“ Jammehs, seiner Familie, seiner Minister und seiner Beamten und Unterstützer beschlagnahmt werden. Afrikanische Länder, die Jammeh „afrikanische Gastfreundschaft“ gewähren, dürften nicht unter Druck gesetzt werden, und Jammeh stehe es jederzeit frei, nach Gambia zurückzukehren.

Jammeh nimmt alles aus Gambia mit, worauf er direkten Zugriff hat

Das Barrow-Lager – das eigentlich eine Wahrheitskommission für Gambia plant – schäumt. Man habe diesen Text schon am Samstag zurückgewiesen, hieß es in sozialen Netzwerken. „Wir verlangen eine förmliche Klärung durch Ecowas“, schrieb Mai Ahmad Fatty, einer der Parteiführer in Barrows Parteienbündnis. „Präsident Barrow hat das abgelehnt, als es ihm vorgelegt wurde. Aus unserer Sicht wird Gambia diese Erklärung weder respektieren noch umsetzen.“

So ist nun offen, wie es weitergeht. Noch ist Barrow nicht aus Senegal nach Gambia zurückgekehrt. Er hat gesagt, er wolle das unter Schutz der westafrikanischen Eingreiftruppe machen. Aber nun steht diese Truppe für einen Deal mit dem alten Präsidenten, den der neue ablehnt.

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