Die Grünen riskieren ihre Vorzeigefrau

Kommentar

von Stefan Alberti

Senatorin Pop soll ihren Parlamentssitz aufgeben

Gewaltenteilung heißt es, wenn Regierung, Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht wie in einem absoluten Staat in einer Hand liegen – auf den französischen Denker Montesquieu aus dem 18. Jahrhundert gehen erste Überlegungen dazu zurück. Tatsächlich aber gibt es in der Bundesrepublik von jeher eine gewisse Überlappung: Fast alle Kanzler waren Abgeordnete, in Nordrhein-Westfalen muss der Ministerpräsident sogar zwingend Abgeordneter sein.

Jene Grüne, die nun ihre Wirtschaftssenatorin Ramona Pop zur Aufgabe ihren Parlamentssitzes drängen, argumentieren, die parlamentarische Kontrolle der Regierung leide, wenn Senatoren zugleich ein Mandat haben. Bei 160 Berliner Abgeordneten gegenüber elf Senatsmitgliedern ist das jedoch wenig nachvollziehbar.

Die Frage ist daher: Warum wollen die Grünen das Risiko eingehen, ihre Vorzeigefrau bei einem Regierungsbruch zu verlieren? Hätte sich die SPD wegen der Causa Holm von Rot-Rot-Grün verabschiedet und – ohne Neuwahl – mit CDU und FDP weiter regiert, wäre Ramona Pop ohne Mandat in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Wenn die Partei das nicht als Verlust betrachten würde, muss sie sich fragen, warum sie Pop bisher als so wichtig betrachtet, dass sie ihr die Spitzenkandidatur und das Amt der Vizeregierungschefin anvertraute.

Die Antwort könnte lauten: Weil es für Pops Gegner ein bequemer Weg wäre, aus einem politischen Desaster noch einen Vorteil zu ziehen und Pop auf Dauer loszuwerden.

Auch wenn die Verfassung keine Parlamentssitze erster und zweiter Klasse vorsieht: Dass Pop einen Wahlkreis gewonnen hat, anders als die über die Parteiliste ins Parlament gerückten Linken-Senatoren, legt ihr eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Wählern auf. Einfach ohne Not „Tschüss“ zu sagen, geht nicht. Falls sie als Senatorin mit vollem Terminkalender diesen Anspruch nicht erfüllen kann, wäre das tatsächlich misslich – aber dann ist es an den Leuten im Wahlkreis, sich zu beschweren, nicht an der Partei.