Kulturperspektiven
: "Wir brauchen den Austausch"

Foto: privat

An der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) haben 15 Geflüchtete Kurse in Malerei, Fotografie, Medienkunst und Grafik-Design besucht. Aus dem gesamten Bundesgebiet kamen sie für den Studiengang nach Leipzig. Rayan Abdullah, 1957 im Irak geboren, ist seit 2001 Professor für Typografie an der HGB in Leipzig. Nach dem ersten Semester zieht er Bilanz.

taz: Herr Abdullah, welche Erkenntnis haben sie nach den ersten Monaten an der „Akademie für transkulturellen Austausch“, die Sie gegründet haben, gewinnen können?

Rayan Abdullah: Für unsere Studierenden aus Syrien und dem Irak ist die HGB ein sehr wichtiger Ort geworden. Denn trotz allem, was sie erlebt haben, müssen sie sehen, dass sie nach wie vor eine Zukunft haben. Für viele bedeutet das Studium auch die Rettung vor der Einsamkeit. Oder aus einem Heim, in dem sie herumsitzen und ihre Zeit totschlagen.

Geflüchtete und Nichtgeflüchtete lernen gemeinsam – inwiefern profitieren beide Seiten von dem Austausch?

Wir in Deutschland haben natürlich eine sehr europäische Sicht auf Kunst und Design. Und es ist eine Bereicherung, wenn Menschen dazukommen, die eine andere Perspektive mitbringen. Die Studierenden aus Syrien und dem Irak waren geschockt, als sie an der Hochschule die weißen Wände gesehen haben – bei ihnen sind die Räume bunt und reich an Ornamenten. Wir sprechen dann über unsere Wahrnehmungen, Anschauungen und woher es kommt, dass wir etwas so und nicht anders mögen.

Und woher kommt es?

Das fragen wir uns auch. Ob es etwa eine Rolle spielt, dass es in ihrer Heimat Bilderverbote gibt und bei uns nicht, oder ob wir mehr in einer analogen oder digitalen Welt leben. Welche politischen Einflüsse zum Tragen kommen. In der Malerei beobachten wir etwa, dass die Studierenden aus Syrien und dem Irak sozialistische Darstellungen bevorzugen – also personenbezogene, dafür seltener Landschaften. Über so etwas diskutieren wir dann gemeinsam.

Mit welchem Ergebnis?

Dass wir solchen Austausch und Diskurs unentwegt brauchen. (lacht)

Welche Tragweite kann so ein Projekt haben?

Man kann nicht genügend solcher Studiengänge haben. Wir sollten Geflüchtete gerade in der Kunst unterstützen. So werden sie in der Kultur einer Gesellschaft aktiv. Umgekehrt fungieren sie als kulturelle Botschafter, sollten sie in ihre Heimatländer zurückkehren.

INTERVIEW: HANNA VOSS