Grüne auf Schlingerkurs

Asylpolitik Die Grünen in Norddeutschland ringen um eine klare Position in der Frage der Abschiebungen nach Afghanistan: Landesverbände lehnen diese strikt ab, Mitglieder der Landesregierungen schließen sie nicht aus

Sollte man nach Afghanistan abschieben? Während die norddeutschen Landesverbände der Grünen das ablehnen, geben sich grüne Mitglieder der Landesregierungen pragmatischer. In Hamburg hatte das zu grün-internem Streit geführt. Der rot-grüne Senat einigte sich schließlich auf einen Kompromiss: nur straffällige und alleinstehende Männer sollen gehen (taz berichtete). Diakonie und Caritas forderten den Senat indes zu einem Abschiebestopp für Afghanen auf.

Am Mittwoch erklärte Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) der taz: „Die Bundesregierung sollte die Kraft entwickeln, Abschiebungen nach Afghanistan grundsätzlich auszusetzen“. Die Grünen aus der niedersächsischen Regierung hatten sich letzte Woche an einem Leitlinien-Papier nicht beteiligt, in dem sich die grünen Mitglieder von zehn Landesregierungen auf die „Anforderungen bezüglich Rückführungen nach Afghanistan“ einigten – darunter die Grünen aus den Regierungen von Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Niedersachsen habe den Bund eigenständig um Überprüfung der kritischen Sicherheitslage gebeten, so Wenzel.

Aus Bremen erklärte am Dienstag der Grünen-Landesvorsitzende Ralf Saxe in Bezug auf das Papier: zu Afghanistan: „Abschiebungen dorthin sind inhuman.“ Die Erklärung der Partei liest sich, als sind sich die Grünen in Bremen einig – auch die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert wird zitiert: „Angesichts der bestehenden Zweifel der Sicherheitslage in Afghanistan ist eine Überprüfung der Einschätzung der Bundesregierung dringend geboten.“

Linnert kommentierte damit allerdings aus dem von ihr mitgetragenen Papier nur den ersten von vier Punkten, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die Sicherheitslage unter Einbeziehung der neuen Stellungnahme des UN-Flüchtlingshilfswerks erneut zu überprüfen.

In den weiteren Punkten des Papiers heißt es: Wo eine freiwillige Rückkehr nach Afghanistan scheiterte, „müssten jedoch auch zwangsweise Rückführungen per Abschiebung erfolgen“. Auf Landesebene wollen sich die Grünen dafür einsetzen, „dass vorrangig Straftäter und Gefährder abgeschoben werden“. Entsprechend berichtete etwa Spiegel Online über das Papier: „Grüne plötzlich offen für Abschiebungen nach Afghanistan“.

Dagmar Bleiker, die Sprecherin von Karoline Linnert, beharrt auf einer anderen Lesart: Die Senatorin wolle, dass möglichst nicht abgeschoben werde. jpb