Mehr Hürden als Pläne

Verkehr Barrierefreiheit durchzusetzen, wie es das Grundgesetz verlangt, fordern die Bremer Grünen. Was der Vorstoß kosten würde, ist allerdings noch unklar

Bremen soll barrierefrei werden, verkünden die Grünen in ihrem Positionspapier vom Dienstag – und sagen damit ­erst mal nichts Neues. Das steht auch in der UN-Behindertenrechtskonvention, in diversen Gleichstellungsgesetzen und -verordnungen. Selbst ins Grundgesetz haben AktivistInnen schon vor mehr als 20 Jahren den folgenden Satz hinein gekämpft: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Und der gilt selbstverständlich auch im Straßenverkehr.

Dass das alles nicht so einfach ist, belegt Ralf Saxe als verkehrspolitischer Sprecher der Grünenfraktion, wenn er heute noch fordern muss, Bordsteine abzusenken, mehr Zebrastreifen einzurichten und Autos zu kontrollieren, die Bremens ohnehin schon schmale Bürgersteige zuparken.

Ein Problem ist die Haushaltsnotlage: Die ganze Stadt halbwegs zeitnah barrierefrei umzugestalten, wie es eigentlich Pflicht wäre, davon ist in dem grünen Positionspapier gar nicht erst die Rede. Doch auch bei den eigens herausgestellten Schwerpunkten sieht es eher schlecht aus. Der Gustav-Deetjen-Tunnel neben dem Hauptbahnhof etwa lässt sich für viele Menschen mit Behinderung nicht durchqueren: der Fußweg ist schmal und dunkel und der Fahrradverkehr fließt ungebremst in den Fußgängerbereich. RollstuhlfahrerInnen bleibt hier nur der Weg durch den Hauptbahnhof.

„Ein solches Nadelöhr kann sich eine moderne Stadt nicht leisten“, sagt Saxe. Doch: „Eine Lösung fällt mir auch nicht ein.“ Ein Umbau ist derzeit unbezahlbar – außerdem gehört der Tunnel der Bahn. Auch was die grob skizzierten anderen Lösungen angeht, notiert das Papier zwar Ansätze für weitere Diskussionen, aber keine Kostenkalkulation.

Nun sind die in der Tat schwer zu erheben: Meist wird Barrierefreiheit umgesetzt, wenn ohnehin Baumaßnahmen anstehen. Nach einer Kanalsanierung etwa kann eine behindertengerechte Neugestaltung möglicherweise sogar ohne Mehrkosten umsetzbar sein. Was unterm Strich bleibt, ist Saxes Appell, Barrierefreiheit zukünftig von Anfang an mitzudenken.

Konkrete Folgen wird das Positionspapier jedenfalls frühestens in den Haushaltsverhandlungen haben. Konflikte erwartet Saxe aber nicht nur um die Finanzierung. Gerade das Kopfsteinpflaster ist ein Dauerbrenner in vergangenen Auseinandersetzungen: Für Rollstühle ist es schwer zu überqueren und RadfahrerInnen weichen wegen schlecht befahrbarer Oberflächen auf die Fußwege aus. Trotzdem haben Versuche, die Straßen im Viertel barrierefrei zu gestalten, in der Vergangenheit immer wieder zu harten Auseinandersetzungen mit AnwohnerInnen geführt, die nicht auf ihr gewohntes Straßenbild verzichten wollten. jpk