Kubanisches Territorium

Eine Etage im Bonner Frauenmuseum wurde temporär zum Ausland erklärt. Sechs kubanische Künstlerinnen zeigen bei „cubarte.cult.cu“ zeitgenössische Arbeiten von der Zuckerrohr-Insel

AUS BONNPETER ORTMANN

Schlafend hebt und senkt sich der Brustkorb im Blümchenkleid. Im Hintergrund rauscht die Karibik. Unmerklich löst sich eines der Blümchen vom Kleid und schwebt kurz wie ein Astralkörper über der schlafenden Frau. Das 1:50 Minuten-Video „Cada respiro“ (Jeder Atemzug) der kubanischen Künstlerin Glenda León ist während der Ausstellung „cubarte.cult.cu“ im Bonner Frauenmuseum zu sehen. Sechs Künstlerinnen repräsentieren dort einen Ausschnitt zeitgenössische Kunst von der karibischen Insel, wo sie, anders als in Europa, im Kulturbetrieb stark vertreten sind. Im Gegenzug werden deutsche Künstlerinnen im nächsten Jahr ihre Positionen auf Kuba zeigen. Das Austauschprojekt erfreute bei der Eröffnung auch den extra aus Berlin angereiste Botschafter Gerardo Peñalver Portal. Eine ganze Etage des Frauenmuseums wurde schließlich zum temporären kubanischen Territorium erklärt.

Dass sich in dem blockierten Land neben der touristischen Folklore auch Kunst von Frauen, die sich auf internationalem Kunst-Parkett bewegen, entwickeln konnte, ist nicht nur der Revolution zu verdanken, die Kunstschulen ohne geschlechtsspezifische Benachteiligung errichtete. Auch das in Havanna ansässige Zentrum für Zeitgenössische Kunst Wifredo Lam fördert gezielt, mit Tania Brughera hat es eine Kubanerin immerhin auf die letzte documenta nach Kassel geschafft. Ein deutscher Kultur-Austausch mit der 7.000 Kilometer entfernten Zuckerrohrinsel ist nicht leicht. Vier Jahre hat es bis zur Realisation dieser Ausstellung gedauert. „Ein kleiner subjektiver Querschnitt“ nennt sie die Kunsthistorikerin Ibis Hernández Abascal von Wifredo Lam, die die Künstlerinnen nach Bonn begleitete.

Neben der Videoarbeit von Glenda León sind die Arbeiten von Lidzie Alvisa Jiménez und Aimée García Marrero am interessantesten. Beide arbeiten mit symbolischer Fotografie. Aimée García verbirgt sich hinter einer Maske von historischen Bildern, während sie sich selbst portraitiert. Lidzie Alvisa zeigt mit Stecknadeln am Bauch befestigte Schmetterlinge. Zusätzlich hat sie vor Ort mit hunderten Stahl-Nadeln Worte auf drei Spiegeln installiert. Sie werden von der Rückseite durch Magnete gehalten, durch die sie eine gesteuerte haptische Wirkung erzielen und so der Schwerkraft trotzen.

Alicia Leal Veloz aus Sancti Spiritus auf Kuba ist das Kontrastprogramm. Sie malt Mythologien. Ihre Arbeiten sind bunt, wurden in extra farbigen Räumen ausgestellt. „Sie transportiert naive Malerei in eine neue Form“, sagt Ibis Hernández. Auch die traditionelle Malerei auf Kuba werde gefördert. Im Frauenmuseum seien die Werke Träger ganz individueller Poesie der jeweiligen Künstlerin. Jede von ihnen habe in der künstlerischen Wirklichkeit des heutigen Kuba ihren Platz.

Bis 20. NovemberInfos: 0228- 691344