Malene Gürgen friert mit den Mieten-AktivistInnen
: Bibbern für bessere Zeiten

Demonstrant mit Müller-Maske Foto: dpa

Welch Coup der Linkspartei mit der Ernennung Andrej Holms zum Staatssekretär für Wohnen gelungen war, wird auf bittere Art in diesen Tagen noch einmal deutlich: Junge Leute, die sich bei Minusgraden am Montagabend vor dem Maxim Gorki Theater und am Dienstagmorgen vor der Humboldt-Uni die Beine in den Bauch stehen, um ihre Solidarität mit einem Exstaatssekretär auszudrücken – wann hat es das zuletzt gegeben?

Ein solches Interesse für die Besetzung eines parlamentarischen Postens in den außerparlamentarischen Bewegungen ist die Ausnahme, und so zeigen diese schnell organisierten Protestkundgebungen noch einmal, welches Versprechen in der Ernennung Holms gelegen hatte: Während die stadtpolitische Bewegung bei der Wahl 2011 noch darum kämpfen musste, dass das Problem steigender Mieten überhaupt als solches anerkannt werde, haben es ihre Analysen und Forderungen mittlerweile bis auf den Stuhl eines Staatssekretärs geschafft. Das ist es, was die Personalie Holm versinnbildlichte – und zwar ganz unabhängig davon, ob Holm letztendlich vor den an ihn gestellten Anforderungen kapitulieren hätte müssen oder nicht.

„Müller – not my Bürgermeister“ steht auf den Plakaten der Demons­trantInnen vor dem Gorki-Theater. Der Regierende sitzt derweil schon drinnen und diskutiert mit Jakob Augstein unter anderem über das verlorene gegangene Vertrauen der Bürger in die Politik – ach ja. Der Fall Holm wird nur kurz gestreift, dabei spart Müller nicht mit Kritik an dem Aktivisten, dessen Umgang mit der Angelegenheit „vor Selbstgerechtigkeit getrieft“ habe.

Die Distanz zwischen den Menschen hier draußen und dem, was Müller da drin sagt, könnte nicht größer sein. Das kann man als egal abtun – schließlich sind es nur 200 Menschen, die hier protestieren. Allerdings: Die stadtpolitische Bewegung ist größer, und vor allem hat sie wie keine andere das Potenzial, weiter zu wachsen – denn dass sich die Mietensituation immer weiter zuspitzt und längst nicht mehr nur bestimmte Milieus in Bedrängnis bringt, ist klar. Dass die Bewegung zuletzt trotzdem hinter ihren Möglichkeiten zurückblieb, liegt dabei auch an ihrer Zerstrittenheit, die sich nicht zuletzt an der Frage entzündet, wie viel Bedeutung man den Parlamenten und wie viel der Straße beimisst.

Ausgerechnet die Causa Holm hat das Potenzial, hier für einen Schulterschluss zu sorgen: Auf der einen Seite haben sich in den vergangenen Wochen auch diejenigen auf die Seite des Gentrifizierungskritikers geschlagen, die normalerweise nicht mal kommentieren, was innerhalb der Parlamente passiert. Auf der anderen Seite erfasst die Enttäuschung und Wut über das Verhalten Müllers, aber auch der Linkspartei nun auch diejenigen, die in der rot-rot-grünen Koalition bisher einen wichtigen Verhandlungspartner gesehen haben. Gut möglich, dass für die mietenpolitische Bewegung bald wieder anderes in Aussicht steht, als frierend einen eigentlich schon verlorenen Kampf zu kämpfen.