Ständige Vertreterin der Dampfplauderer

Überraschend wurde Inge Höger-Neuling zur Vize-Vorsitzenden der Linkspartei-Bundestagsfraktion gewählt. Anders als ihre Chefs Lafontaine und Gysi steht die Gewerkschafterin und Betriebswirtin nicht für laute Rednerpult-Politik

In einer Parteiführung voller Dampfplauderer ist Inge Höger-Neuling eine Ausnahmeerscheinung. Anders als Spitzenkandidat Oskar Lafontaine bekommt sie keinen rhetorischen Wutanfall, wenn sie die Regierungspolitik kritisiert. Sie ist auch kein Entertainer wie Gregor Gysi. Dennoch verfügt Höger-Neuling über Rückhalt im Linksbündnis. Nach einer kurzen, eher leisen Nominierungsrede auf dem Essener Parteitag im Juli bekam sie viel Applaus und wurde auf Platz 3 der Landesliste gewählt.

Und in der Linkspartei-Bundestagsfraktion hat sie sofort für die nächste Überraschung gesorgt. Nicht WASG-Bundesvorstand Klaus Ernst wurde „ständiger Stellvertreter“ von Gysi und Lafontaine, sondern die gelernte Speditionskauffrau, Betriebswirtin und ver.di-Gewerkschafterin. „Ich habe viel Unterstützung von vielen Seiten bekommen“, sagt Höger-Neuling. Es sei wichtig gewesen, dass Frauen in die Fraktionsführung gewählt wurden.

Höger-Neuling ist wieder zuhause in Herford nach einigen Sitzungstagen in Berlin. Derzeit bereitet sie den Wechsel vor: von der AOK-Angestellten und Personalrätin aus Ostwestfalen zur Berufspolitikerin in der Hauptstadt. 2004 gehörte sie zu den Mitbegründern der Oppositionsbewegung WASG. Jetzt kann sie versuchen, ihre politischen Forderungen nach mehr Sozialstaatlichkeit umzusetzen.

Um die „Strukturkrise im Ruhrgebiet“ will sie sich als Abgeordnete kümmern, und für ihre Heimatwahlkreis möchte sie da sein. „Berlin wird mein Zweitwohnsitz sein“, sagt Höger. In Herford will sie wohnen bleiben und dort bald ein Büro aufbauen: „Damit das dann ein Zentrum auch für die Linke in Ostwestfalen wird.“ M. TEIGELER