Beatles versus Stones im Bassy, Schokolade für die Wartenden in der U-Bahn und 400 Plattencover im C/O Berlin
: Heißt es „gestagedivt“ oder „stagegedivt“?

Ausgehen und rumstehen

von Jens Uthoff

Kurz vor elf, Freitagabend. Gedränge vor dem Bassy Club, eine Schlange von 100, 200 Metern hat sich an der Schönhauser gebildet. Das älteste Duell des Pop, Beatles versus Stones, zieht auch 2017 noch; rund ein Dutzend Berliner Bands soll in einem Battle ermitteln, wer die ewige Nummer eins des Rock ’n’ Roll ist. Ich konnte mich noch nie entscheiden, ob ich eher im Team Jagger/Richards bin oder im gelben Lennon-/McCartney-U-Boot sitze.

Drinnen sind die Sympathien bei einigen deutlich zu erkennen, manche tragen die Stones-Zunge auf dem Shirt, andere haben alles aus ihrem Lockenstab rausgeholt und glänzen mit formvollendeten Pilzköpfen. Die erste Band, The Bar Sinister, eröffnet standesgemäß mit „We’re Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, optisch wie akustisch ist das Quintett nah an den Originalen.

Der Lonely Hearts Club dezimiert sich auf der Tanzfläche recht schnell, die Münder werden nicht nur zum Singalong, sondern auch zum Knutschen benutzt. „Happiness a warm gun“, skandieren The Jooles dazu auf der Bühne, und schon jetzt fällt auf, dass die Fab Four an diesem Abend einen klaren Wettbewerbsvorteil haben: Zwei Drittel der Songs sind von den Beatles. Auch Isolation Berlin verstärken das Team Liverpool mit zwei eingedeutschten Versionen: „Ich bin so müde“ und „Sie liebt dich“. Höhepunkt der ersten Halbzeit: „A Day In The Life“ von Arne Bengt Buss & The Lost Weekend, eine hingebungsvolle Adaption eines heiligen Liedes.

In der zweiten Hälfte folgen eine darkwavige „Under My Thumb“-Version und tolle Riot-Grrrl-Nummern von Gurr: „Komm, gib mir deine Hand“. Ex-Surrogat-Lärmfabrikant Patrick Wagner bekundet mit seiner neuen Band Gewalt „Sympathie für den Teufel“. Na, wenn das mal nicht passt. Halb vier, der dunkle Teil der Nacht ist angebrochen. Fies, knarzig, doomig. „Ich bin Satan / Ich bin der Teufel / Kniet nieder“, singt Wagner. Nach rund 30 Liedern haue ich ab – es kann eh nur zwei Sieger geben. Am Rosa-Luxemburg-Platz hat ein Typ seine Freundin zum Kotzen über seinen Arm gelegt. Es kommt viel raus. Runter zur U-Bahn, ein Wartender versüßt uns die Zeit mit einer Runde „Kinder Country“. Auch der Typ mit der inzwischen nicht mehr kotzenden Freundin kommt die Treppen herunter. Er trägt sie. Ich kaue Puffreis mit Milchschokolade.

Samstagnachmittag sind die Beatles und die Stones wieder in da house, und zwar im C/O Berlin, wo eine Schau zu Albumcovern läuft. Viele ikonische Werke sind dabei, Prince, Madonna, Pink Floyd, U2, „Abbey Road“, „Black + Blue“. Spannender sind die Motive, die man nicht ständig sieht wie die von Barbara Wojirsch und Dieter Rehm für das Jazzlabel ECM gestalteten Cover. Die zensierten Cover – Scorpions, Stones, Lennon/Ono etwa – sind zum Schluss zu sehen, insgesamt werden rund 400 LP-Cover ausgestellt. Lohnt.

Der Abend bringt die Neueröffnung des Festsaals Kreuzberg im ehemaligen White Trash. Es ist rappelvoll, die Stimmung schon bei der ersten Band, Friends Of Gas aus München, bestens. Krächzend-kehliger Gesang von Nina Walser ist zu hören, noisige Gitarren dazu. Schön ätzend. Beim Hauptact, den superguten und -tanzbaren The Robocop Kraus aus Nürnberg, wird gar gestagedivt (ist „gestagedivt“ oder „stagegedivt“ die Partizip-Perfekt-Form von stagediven?). Eine würdevolle Feier mit drei Zugaben und einem für mich um kurz vor zwölf sehr frühen Ende. Die Beatles und die Stones hatten mir in der Nacht zuvor schon den Schlaf geraubt. Den musste ich mir zurückholen.